Manchester kompakt: 11 Tipps für ein Wochenende

Manchester: Die „dirty old town“ erfindet sich neu

Liebe Freundinnen von Welt,

Manchester ist wie eine alte Jeans: fleckig, abgewetzt – und umso cooler, je mehr Geschichte sie trägt. In Englands Nordwesten ist der Himmel oft grau, aber die Ideen sind bunt.

Eure Kirsten, Freundin von Welt

Manchester – ein bisschen Geschichte

Cottonopolis und die Geburt der Textilindustrie

Im 19. Jahrhundert nannte man Manchester Cottonopolis. Um 1853 zählte die Stadt 108 Baumwollfabriken – ein Weltrekord. Hier ratterten die ersten dampfbetriebenen Spinnmaschinen, hier entstand die erste Eisenbahnverbindung zwischen zwei Städten (Manchester–Liverpool, 1830). Die Royal Exchange, eröffnet 1874, war das Herz des globalen Baumwollhandels. Baumwolle kam von Plantagen in den Südstaaten der USA, wo sie durch versklavte Menschen angebaut wurde – ein dunkler Teil der Erfolgsgeschichte, den man heute nicht mehr ausblendet.
Manchester wuchs explosionsartig. Arbeiterhäuser drängten sich aneinander, Wäscheleinen flatterten über schmale Gassen, und der Himmel war schwarz von Kohle. Fortschritt hatte hier einen Klang: das metallische Keuchen der Maschinen.

Dirty Old Town: Aufstieg und Niedergang einer Arbeiterstadt

Doch Ruhm ist ein empfindliches Gut. Als das Empire zerfiel, brach auch die Baumwollindustrie ein. Andere Länder zogen mit moderner Technik nach, die Nachfrage schrumpfte. Ganze Viertel verfielen. Zwischen 1961 und 1983 verlor die Stadt rund 150.000 Industriearbeitsplätze. Aus dem pulsierenden Herz der Industrialisierung wurde eine „Dirty Old Town“ – rauchgeschwärzte Ziegelmauern, Arbeitslosigkeit, Stolz im Schlingerkurs.

Trotz aller Tristesse setzte Manchester ein Ausrufezeichen: Mit dem Ship Canal von 1894 verwandelte sich die Stadt in einen Hafen mitten im Landesinneren. Aber die großen Wirtschaftskrisen des 20. Jahrhunderts ließen das industrielle Erbe wie ein Relikt wirken.

Madchester: Wie Musik die Stadt neu erfand

Dann kam der Sound. Ende der 1970er begann in den verwaisten Fabrikvierteln ein anderes Rattern: Schlagzeugbeats. Joy Division, New Order, The Smiths, später Stone Roses und Happy Mondays und Oasis gaben der Stadt ihre neue Stimme. 1982 öffnete der Club Haçienda – eine alte Lagerhalle, umgebaut von Tony Wilson und seinem Label Factory Records. Hier pulsierte alles, was wichtig war: Punk, House, Rave, Rock. Eine Mischung, so anarchisch wie kreativ.

Die Haçienda wurde Legende, auch wenn sie finanziell ein Fass ohne Boden war (bis zu 18 Millionen Pfund Verlust). Am 28. Juni 1997 schloss sie endgültig ihre Türen, doch bis dahin hatte sie Manchester in ein Klanglabor verwandelt. Madchester war nicht nur eine Musikszene, sondern Identitätsarbeit: Die Stadt erfand sich über ihre Beats neu.

Vom Club Haçienda zur Street Art: Kreativität aus Ruinen

Die 1980er und 1990er Jahre waren ein Aufbruch aus Ruinen. Künstler besetzten alte Lagerhäuser, Straßen wurden zu Galerien, Clubs zu sozialen Laboren. Im Northern Quarter siedelten sich Künstler, Musiker und kleine Labels an. Heute ist das Viertel ein Mosaik aus Street Art, Vintage-Shops, veganen Cafés und Gentrifizierung.

Die Bienen von Manchester: Symbol für Zusammenhalt

Die Biene gehört seit 1842 ins Stadtwappen. Sie steht für den Fleiß der Arbeiter, die Manchester einst zur Weltmacht der Baumwolle machten. Sieben Bienen auf einer Weltkugel symbolisieren den globalen Anspruch: sieben Tage Arbeit, sieben Ozeane.

Nach dem Anschlag in der Manchester Arena 2017, bei dem 22 Menschen starben, wurde die Biene zum Zeichen der Solidarität. Tätowierer in der Stadt stachen wochenlang kostenlos Bienen-Motive auf Arme, Knöchel, Herzen. Heute schwirrt das Symbol durch die ganze Stadt: auf Mülltonnen, Laternenpfählen, Hotellobbys, Restaurantwänden.

Und während hinter viktorianischen Backsteingewölben heute Glasfassaden in den Himmel ragen, summt immer noch dieser alte Geist von Zusammenhalt und Aufbruch durch die Straßen.

11 Tipps für ein Wochenende in Manchester

Manchester ist keine Stadt, die sich herausputzt. Sie trägt ihren Ziegelstaub mit Stolz, mischt Arbeitergeschichte mit Musikmythen und indischem Essen. Ein Wochenende reicht kaum – aber für diese elf Tipps sollte Zeit sein:

1. Northern Quarter & Afflecks

Street Art an den Wänden, Plattengeschäfte, kleine Cafés. Und mittendrin Afflecks: Eine Art Kultkaufhaus über vier Etagen, vollgestopft mit kleinen, unabhängigen Läden. Von Masken über Schmuck über Socken in Regenbogenfarben bis zu Second Hand Klamotten ist alles zu haben.

Sehr viel oldschool Zeug, ein nahezu historischer Geruch liegt in der Luft, angereichert von Räucherstäbchen, das wirkt insgesamt sehr authentisch.

Afflecks gibt es seit über 40 Jahren und ich möchte wetten, dass ein paar der angebotenen Teile hier schon vom ersten Tag an auf den Bügeln hängen.

Wo? Afflecks, 52 Church Street, Manchester

2. The Manchester Shop im Afflecks

Seit 2016 ist der Manchester Shop im Afflecks. Dort gibt es allerlei Souvenirs, Drucke mit Songzeilen (Love will tear us apart). Hier, zwischen Tassen und Tea Towels, wird schnell die Bedeutung von Manchester als Music City klar. Auch die Biene vom Stadtwappen, das Manchester Symbol schlechthin, wird hier gefeiert.

Wo? The Manchester Shop, Ground Floor, Afflecks Arcade, 35-39 Oldham Street, Manchester

3. Bundobust

Die Treppe führt in den Keller, doch da öffnet sich ganz überraschend eine Halle mit Oberlicht in einen kleinen Innenhof. Lange Tische, lange Bänke, bunte Deko.

Es gibt indisches Streetfood. Man kann sich selbst etwas zusammenstellen, empfohlen werden drei Komponenten. Oder man macht es sich leicht und nimmt eine Kombo. Alles ist vegetarisch, vieles vegan.

Wie bekommen Samosa-Chaat, schön knusprig, Okra Fries, kross und gut gewürzt. Dazu natürlich Mango Lassi. An der Bar werden die Biere gezapft, die in der Bundobust Brauerei in der Oxford Street gebraut werden.

Wo? Bundobust, 61 Picadilly, Manchester

4. Mackie Mayor

Eine alte Markthalle von 1857, heute Foodcourt. Wirklich spektakulär. Metall, Holz, Stimmengewirr. Frittenduft. Man will alles probieren. Aber wer kann sich schon entscheiden?

Wo? Eagle Street, Northern Quarter, Manchester

5. The Whitworth

Park, Villa, Museum – und der Eintritt frei. Turner hängt hier, der Himmel auf den Bildern leuchtet fast so schön wie draußen über Manchester. Im Shop kaufen wir eine Tasse mit turnerschen Himmelsausschnitten.

Als uns die Mitarbeiterin die Tasse einpackt, kommen wir ins Gespräch: Sie mag unsere Heimatstadt Hamburg, ihr Freund ist der Drummer von The Fall (Buchtipp: „You can drum, but you can‘t hide“), die haben dort viele Konzerte gespielt. Bei einer Deutschland-Tour war Nirvana die Vorband von The Fall. Sie empfiehlt uns die Curry-Meile, das passt, da wollen wir sowieso hin.

Wo? The Whitworth, The University of Manchester, Oxford Road

6. Chit’n Chaat auf der Curry-Meile

Früher war mehr indisch. Heute ist die Curry-Meile keine reine Curry-Meile mehr, Shisha-Bars und arabische Läden haben sich zwischen den indischen Lokalen angesiedelt.

Bei Chit’n Chaat gibt es Streetfood: Samosa-Chaat, Chili Paneer, Naan. Knuspriger, würziger, besser als alles, was wir zuhause in Deutschland kennen. Wann gibt es bei uns Okra Fries? Kann ich da einen Trend auslösen? An wen muss ich mich wenden?

Wo? Chit’n Chaat, 205 Wilmslow Road, Manchester

7. Manchester Museum

Nur ein kurzer Blick hinein, es liegt auf dem Weg. Ich habe keinen Bock auf Dinosaurier, sagt M.. In der Eingangshalle ein großes Skelett. Deutlich kein Dino, eher ein Mammut. Nein, es ist ein Elefant. Ich lese noch das Schild, da kommen ein paar Mädchen vorbei und kreischen leise „dinosaur“!

Hier die Geschichte des Elefanten: Im Jahr 1872 kauft James Jennison, der Besitzer des Belle Vue Zoos in Gorton, den Elefanten namens Maharajah für 680 Pfund (heute etwa 30.000 Pfund) von einem Wanderzirkus in Edinburgh. Maharajah war acht Jahre alt und über zwei Meter groß und sollte mit dem Zug nach Manchester reisen, aber das verstörte ihn. Der Pfleger Lorenzo Lawrence entschied, dass es für die Öffentlichkeit und den Elefanten nicht sicher sei, mit der Bahn zu reisen, und so begannen sie gemeinsam eine Wanderung von Edinburgh nach Manchester. Ihre Reise dauerte zehn Tage.

Maharajah lebte zehn Jahre lang im Belle Vue Zoo und war sehr beliebt. Er nahm an vielen Paraden in Manchester teil. Im Alter von 18 Jahren starb er, wahrscheinlich an einer Lungenentzündung. Maharajahs Skelett wurde viele Jahre lang in einem kleinen Museum im Zoo ausgestellt, bevor es an das Manchester Museum verkauft wurde.

P.S.: Die Ausstellung Triceratops: Eat, Roam, Repeat beginnt am 25.10.2025. Das sind dann wirklich Dinosaurier.

Wo? Manchester Museum, The University of Manchester, Oxford Road

„Open and free to everyone“ steht am Eingang. Drinnen Kunst, die einen überfordert, wenn man alles auf einmal sehen will – oder entspannt, wenn man sich einfach auf einen Raum einlässt. Auch die Wandfarben sind toll!

Wo? Manchester Art Gallery, Mosley Street, Manchester

9. Royal Exchange Theatre

In die mächtige Handelshalle wurde ein Theater hineingebaut. Also wirklich hineingebaut, vielleicht auch hineingestellt: ein siebenseitiges Modul aus Stahl und Glas steht wie ein moderner Fremdkörper in der pompösen Halle. Ein reines Rundtheater, bei dem der Bühnenbereich von allen Seiten bis nach oben von Sitzplätzen umgeben ist.

Der Entwurf stammt von Richard Negri von der Wimbledon School of Art. Da der Boden der Börse das Gewicht des Theaters und seines Publikums nicht tragen konnte, ist das Modul an den vier Säulen aufgehängt, die die zentrale Kuppel der Halle tragen. Nur der Bühnenbereich und die Sitzplätze im Erdgeschoss ruhen auf dem Boden.
Leider ist Spielpause und das Café macht auch gerade zu. Aber der Raum allein ist einen Blick wert.

Wo? Royal Exchange Theatre, St. Anne’s Square, Manchester

10. People’s History Museum

Das People’s History Museum ist Großbritanniens nationales Museum der Demokratie – ein Haus voller Geschichten über Menschen, die sich zusammengeschlossen haben, um für mehr Gerechtigkeit zu kämpfen. Streiks, Proteste, Wahlrecht, Solidarität: Hier wird deutlich, wie politische Ideen auf die Straße kamen und das Land verändert haben.

Es geht nicht nur um Vergangenheit, sondern auch um Gegenwart und Zukunft. Wer durch die Ausstellung geht, spürt: Demokratie ist nichts Abstraktes, sondern ein Projekt, das wir alle täglich gestalten.

Wo? People’s History Museum, Left Bank, Spinningfields, Manchester

11. Akbar’s Restaurant

Südindische Küche, erst abends geöffnet – dann aber mit langer Warteschlange und trubeliger Stimmung. Das Naan wird an einem „traditional naan bread stand“ serviert, einer Hängevorrichtung, die angeblich im Akbar’s erfunden wurde (man sich aber leider nicht hat patentieren lassen).

Wo? Akbar’s, 73-83 Liverpool Road, Manchester

Praktische Informationen für Deine Reise nach Manchester

Anreise nach Manchester

Wer viel Zeit hat, nimmt den Zug: Den Eurostar durch den Tunnel. Vielleicht mit einem Interrail-Ticket?
Wer weniger Zeit hat: Mit dem Flugzeug, dann mit der Tram / dem Zug vom Airport bis Manchester Picadilly. Das Ticket habe ich über die App Trainline gekauft. Im Bahnhof stehen Klaviere herum, mit Hockern. An einem sitzt ein älterer Mann und spielt sehr langsam die Melodie von Penny Lane.

Übernachten in Manchester: YHA Castlefield

Im Stadtteil Castlefield liegt die Jugendherberge YHA direkt am Kanal. Toller Blick aus dem Fenster auf verschiedene mächtige Brücken, den Kanal und ein paar Hausboote. Das Museum of Science ist gleich um die Ecke, die Station Deansgate ist nicht weit. In der mit unserer Zimmerkarte zugänglichen Küche kochen wir Tee.

Wo? YHA Castlefield, Potato Wharf, Castlefield, Manchester

Mehr Informationen über Manchester auf der offiziellen Webseite visitmanchester.com

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