Liebe Freundinnen von Welt,
14.000 Schafe leben auf Texel – ebenso viele wie Menschen. Ich bin einigen begegnet – Schafen wie Menschen. Und vor allem Menschen, die Schafprodukte anbieten. Hier erzähle ich Euch, wo man auf der Insel den besten Schafskäse bekommt (und wer den herstellt), was es mit den „Schafbuden“ auf sich hat, wozu die vielen kleinen Erdwälle gut waren (und sind), wo man „Lammetje knuffelen“ kann und wie es sich anfühlt, in Schafwolle gehüllt zu werden. Seid Ihr bereit für jede Menge Flausch?
Eure Kirsten, Freundin von Welt
Inhaltsverzeichnis
- Texel – alles voller Schafe (zum Glück)
- Käsebauernhof Wezenspyk und das Schafmuseum
- Der Meister und sein Käse
- „Knapzaktocht“ – Spaziergang mit Picknick
- Flausch-Flash: Lammetjes knuffelen
- Woolness – wie ich zum Schaf wurde. Zum sehr entspannten Schaf.
Texel – alles voller Schafe (zum Glück)
Mähh! Mmmmääääh! Warum klingen Schafe immer so, als würden sie Schafe imitieren? Das kann doch unmöglich ernst gemeint sein, dieses Geräusch. Haben Schafe einen feinen Sinn für Ironie? Spoiler: Ich werde es nicht herausfinden. Nicht bei meinem Wochenende auf Texel mit unzähligen Schafsbegegnungen. Ein paar andere Dinge habe ich aber gelernt, über Texel, über Schafe und über beide:
„Texelaar“ wird das Texelschaf genannt. „Ein Texelaar hat einen markanten Kopf und ist ein mittelgroßes, großrahmiges Schaf. Die Wolle wird als fein und gestapelt beschrieben.“
Nahezu stapeln sollen sich die Schafe auch im Frühling auf Texels Wiesen. Jetzt, im November, sind auch viele Tiere draußen.
Käsebauernhof Wezenspyk und das Schafmuseum
Seit mehr als 500 Jahren wird auf Texel Käse aus Schafsmilch hergestellt. Diese Tradition führt der Käsebauernhof Wezenspyk seit 1981 unter Leitung von Eigentümer Anton Witte fort. Wir treffen den Käsemeister Robert van Nykerk. Er war vorher Küchenchef im Hotel Lindenboom, ist jetzt seit 6 Jahren auf dem Hof.
Käsemeister Robert zeigt uns die alte Schafbude (Schapenboeten). Die schräge Seite zeigt zum Wind nach Westen, die gerade Seite nach Osten. Das Reetdach endet in ein paar Reihen Dachziegeln – die sollen verhindern, dass die Pferde das Reet fressen. Je mehr Dachziegel, um so reicher der Bauer. Die Schafbuden waren übrigens keine Schafställe, sondern dienten zur Lagerung des Heus und als Werkzeugkammer. In der Schafbude des Hofes ist jetzt ein Schafmuseum.
Drumherum laufen Texel-Schafe. Es sind besonders robuste Schafe, die im Winter nicht in den Stall müssen (parktischerweise zertrampeln die Schafe die Wiesen nicht). Es ist eine gute Fleischrasse. Texelschafe gucken etwas grimmig, auf Niedlichkeit wurden die nicht gezüchtet.
Warum haben die Schafe ein buntes Hinterteil? Sieht ja ganz lustig aus, manche blau, manche pink. Wer macht denn so etwas?
Ein Video im Schafmuseum verrät es: Dem Bock wird ein „Deckblock“ mit Farbe umgeschnallt, so werden die Schafe, die er befruchtet, farblich markiert. Dann weiß der Bauern, wann welche Lämmer erwartet werden – und kann die Mutterschafe rechtzeitig zur Lammzeit in den Stall holen.
Von Mai bis Oktober werden die Schafe gemolken, die Milchschafe sind noch mal eine andere Rasse. Das Fleisch der Texelschafe ist seit dem 16./17. Jahrhundert berühmt, wegen des zarten Salzwiesengeschmacks. Heute gibt es zahlreiche Schafprodukte: Seife, Duschmilch, Pralinen. Und natürlich Käse.
Im September kommen die Züchter aus aller Welt und kaufen Texel-Schafe. So kann es sein, dass einem auch in Neuseeland eine Herde Texel-Schafe begegnet.
Der Meister und sein Käse
Durch große Fenster können wir zuschauen, wie in der Käserei aus Milch Käse wird.
Käsemeister Robert ist seit 5 Uhr morgens bei der Arbeit, er hat heute 5000 Liter Kuhmilch von der Molkerei bekommen. Fünfeinhalb bis sechs Stunden dauert es, bis daraus Käse wird. Robert erklärt die Prozedur, vom Pasteurisieren der Milch, dem Abkühlen, dem Hinzufügen des Labs bis zum Pressen in die Formen. Für 1 Kilo Käse braucht man 10 Liter Kuhmilch. Bei Schafskäse ist es etwas weniger, ca. 6.5 Liter Schafmilch für 1 kg Käse. 63 Cent zahlt der Hof für einen Liter Kuhmilch – das heißt: In einem Kilogramm Käse steckt Milch im Wert von 6,30 Euro. Allein die Milch!
Bei der Käseverkostung lernen wir: Schafkäse hat eine etwas krümelige Konsistenz, Kuhmilchkäse ist cremiger, schmelziger auf der Zunge. 45.000 Liter Schafmilch, 10.000 Liter Ziegenmilch und rund eine Million Kuhmilch verarbeitet Käsemeister Robert pro Jahr auf dem Hof Wezenspyk. 80 % des daraus hergestellten Käses werden direkt auf der Insel verkauft – zum Beispiel im eigenen Hofladen –, die restlichen 20% gehen in die Gastronomie, bis nach Berlin, Saint Tropez und Singapur.
Robert, warum bist Du Käsemeister geworden?
Was ist Deine Lieblingskäsesorte?
„Der Bierkäse!“
Den hat er selbst entwickelt. Das Bier kommt im letzten Moment dazu, auf 150 Kilogramm Käse kommen 30 Liter Bier. 2018 gab es dafür eine Auszeichnung. Den World Cheese Award hat allerdings Roberts „Orekäs“ mit Strandflieder (wegen der Blattform wird das Kraut auch „Lammsohr genannt) gewonnen. Und zu Weihnachten hat Robert einen Käse mit selbst marinierten getrockneten Tomaten entwickelt.
Info: Kaasboerderij Wezenspyk, Hoornderweg 29, 1791 PM Den Burg, wezenspyk.nl
„Knapzaktocht“ – Spaziergang mit Picknick
De Hoge Berg heißt die Landschaft, in der wir zum Spaziergang aufbrechen, und zwar deshalb, weil hier der höchste Berg von Texel liegt. Genaugenommen auch der einzige Berg. Er ist, wie die Landschaft, beeindruckende 130.000 Jahre alt – und weniger beeindruckende 15 Meter hoch. Es ist das „alte Land“ von Texel. Eine „ikonische Landschaft“, einzigartig mit den vielen „Schafbuden“ und den Tuunwallen, niedrigen Wällen aus übereinander gestapelten Grassoden.
Früher dienten die Tuunwallen als eine Art natürliche Zäune – vor allem, wenn Sanddorn darauf wuchs. Auf den Wällen ist die Erde mager, heute sprießen hier besondere Kräuter, die wiederum besondere Insekten wie die schwarze Biene anziehen (im November eher nicht).
Marjon vom Hof De Waddel hat für uns Rucksäcke mit Picknick vorbereitet. Sie hat die „Knapzaktocht“ (Rucksackwanderung) erdacht, zwei Routen und ein kleines Büchlein dazu ausgearbeitet. Für Kinder gibt es eine Schatzsuche.
Marjon erzählt ein bisschen vom Hof, 400 Schafe halten sie. „Im Frühjahr sind die Wiesen hier bedeckt mit Schafen und Lämmern.“ Milch gibt es ab Mai, bis September. „Danach haben die Schafe die Gedanken beim Bock.“) Gegen Ende der Saison wird die Milch dicker, „dann machen wir daraus Butter“, sagt Marjon. Auf dem Hof betreiben sie Kreislaufwirtschaft, das bedeutet, alles wird wieder verwendet. Im Hofladen finden sich allerlei Leckereien. Ein Regal mit Marmeladengläsern fängt meinen Blick: Pflaume-Holunder mit Zimt und Kardamom, Quitte mit Rotwein und Spekulatiusgewürz, herrlich!
Wir haben die Wahl zwischen der längeren (5,3 km) und der kürzeren (3,3 km) Wanderung. „Auf der längeren Tour sind manche Wege gerade sehr nass, weil es geregnet hat“, warnt Marjon uns. Wir nehmen die kürzere Strecke, spazieren zwischen den Wällen hindurch, vorbei an Schafbuden und Schafen, bis in ein Zierwäldchen. Dort breiten wir auf dem Picknicktisch den Inhalt der Rucksäcke aus: Was für Köstlichkeiten da zutage kommen! Selbst gebackenes Brot, Schafwurst und Lammschinken (aus bester, respektvoller Haltung), Schafskäse, sogar Schafbutter! Und hausgemachte Marmelade, Johannisbeer- und Quitte. Ich liebe den zartwürzigen, etwas schrägen Geschmack der Schafbutter unter dem Quittengelee. Wir schlemmen und schlemmen! Dazu scheint die Herbstsonne, lässt die Blätter um uns herum bunt leuchten. Das Leben auf Texel kann so einfach und herrlich sein!
Die Rucksäcke geben wir auf dem Rückweg beim Hof de Waddel ab. Und wenn es geregnet hätte? Dann hätten wir dort in der Scheune gepicknickt.
Info: Die „Knapzaktocht“ kostet 17,50 Euro für Erwachsene, bitte vorher buchen, „wir müssen ja das Brot backen“, sagt Marjon. Schapenbedrijf De Waddel, Westergeest 4, 1791 LJ Den Burg, dewaddel.nl
Flausch-Flash: Lammetjes knuffelen
Hach, ist das süß! Knuffelige Lämmer, gemächlich kauende Mutterschafe, dazwischen Hühner jedweder Größe und Farbe. Ein gigantisches Brahma-Huhn kreuzt meinen Weg, ein anderes sieht mich vom Zaun aus an. Ungefähr auf Augenhöhe!
Lauter verschiedene Schafrassen. Nicht nur grimmig guckende Texelschafe, sondern auch die bezaubernden Herdwicks, die aussehen wie Plüschtiere.
Die jungen Mitarbeiterinnen drücken mir ein Lämmlein in den Arm, das sich erst anschmiegt, dann aber herumzappelt. Ich setze es auf den Boden, es stakst davon. Es ist nicht so jung, wie es aussieht, sondern gehört zu einer Schafrasse, die sehr klein bleibt. Ideal geeignet zum „Lammetjes knuffelen“, denn so bleibt es länger im Business.
Info: Schapenboerderij Texel, Pontweg 77, 1791 LA DEN BURG, schapenboerderijtexel.nl/de
Woolness – wie ich zum Schaf wurde. Zum sehr entspannten Schaf.
Im Garten des Boutique Hotel Texel steht ein kleines Holzhäuschen. Darin: Gedämpftes Licht, eine kuschelige Atmosphäre und zwei hölzerne Betten, die wir große Kisten aussehen. Ich lege mich hinein und eine freundliche junge Frau – die Spa-Mitarbeiterin – beginnt, mich in Wolle zu hüllen. Wollfließ vom Texel-Schaf, nur mit Wasser gewaschen. Es ist noch voll mit Lanolin, dem Wollfett – das soll langsam in meine Haut einziehen. Moderner Wellness-Schnickschnack? Nein, alte Tradition: Diese angenehme Behandlung haben die Frauen der Schafbauern ihren strapazierten Männern schon vor langer Zeit angedeihen lassen. Angeblich haben Schafbauern auch besonders weiche Hände (sorry, das konnte ich noch nicht überprüfen).
Damit ich auch besonders weiche Hände und Füße bekomme, cremt die fürsorgliche Spa-Fee mir diese ein. Dann deckt sie mich, eingehüllt in Wolle, mit einer schweren Decke zu, schaltet das Licht aus und geht. Ich fühle mich wie ein Schaf, ein sehr schläfriges Schaf. Im Hintergrund düdelt leise Musik, zum Einschlafen muss ich keine Schäfchen zählen, bin ja selbst eins. Oder bin ich die Parodie eines Schafes? Im Traum versuche ich mich an einem zarten „Määh“, aber das klingt gar nicht echt. Nach etwa einer halben Stunde werde ich mit einem Tee geweckt, setze mich auf und entsteige dem „Wollbad“. Meine Haut? Zart. Weich. Geschmeidig. Vermutlich wie die eines Schafbauern aus dem vorigen Jahrhundert (wie gesagt, der Verglich fehlt). Insgesamt tiefenentspannt. Warum zum Teufel habe ich den Eisbaden-Workshop DANACH gebucht? Aber das ist eine andere Geschichte …
Eine Handvoll Wolle nehme ich mit, zur Erinnerung, der Rest geht zurück an den Bauern und wird als Dämmmaterial verwendet. Und nachts wachen im Hotelzimmer Schafe über mich.
Info: Boutique Hotel Texel, hoteltexel.com,
Woolness: hoteltexel.com/spa-woolness/wool-bath
Gemeinsam unterwegs:
Mit mir auf Texel waren „Vielweib“ Tanja und „ZimtkeksundApfelTarte“ Andrea. Tanja hat mehrere Texel-Beiträge auf Ihrem Blog, u.a. hat sie über das Museum Kaap Skil geschrieben.
Meine Recherchereise wurde vom VVV Texel unterstützt – ganz herzlichen Dank dafür! Der Inhalt dieses Blogbeitrags ist von der Einladung unbeeinflusst und spiegelt meine eigene Meinung wider, ich bekam kein Honorar.
Teile diesen Beitrag:
Weitere Beiträge:
- China: Das Hanfu-Revival und die „arme Generation“
- Fototipps: Mit dem Smartphone einfach tolle Reisefotos machen
- Fondamenta delle Zattere in Venedig: Ein Spaziergang
- Im Labyrinth von Venedig: Calle, Campo, Sotoportego
- Reisen in China: Mit dem Hochgeschwindigkeitszug von Beijing nach Hangzhou
Schreibe einen Kommentar