Eine Kreuzfahrt mit der EUROPA 2, liebe Freundinnen von Welt,
nach Hongkong, Vietnam, Koh Samui – und zur eigenen Mitte. Klingt nach einer etwas gewagten Route, aber auf der IN2BALANCE-Reise mit der EUROPA 2 ist genau das Programm. Deshalb habe ich dieses Schätzchen aus meinem Archiv ausgegraben: Eine Kreuzfahrt mit Yoga, Boxtraining und Faszientherapie, mit Hochgenuss und Hochsee, mit Stretching und Sterneküche. Ich war dabei. 2017, als Hapag-Lloyd Cruises das Format zum ersten Mal ausprobierte.
Und fragte mich: Wie weit muss ich reisen, um anzukommen?
Übrigens: Das Format hat sich bewährt – IN2BALANCE-Reisen bietet Hapag-Lloyd Cruises immer noch an. Und ich würde jederzeit wieder mitfahren.
Eure Kirsten, Freundin von Welt
Inhaltsverzeichnis
- Luxus und Läuterung: Eine Kreuzfahrt zur eigenen Mitte
- Hongkong: Platz ist Luxus
- Ankunft im schwimmenden Paradies: Willkommen an Bord der EUROPA 2
- Seenotrettungsübung oder gediegene Poolparty?
- Begegnungen, die man nicht kaufen kann
- Yoga mit Meerblick: Tränen gehören dazu
- Reizüberflutung in Vietnam: Märkte, Seidenraupen und Tempo
- Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Beim Kapitän auf der Brücke
- Balance auf hoher See: Gin-Tasting vs. innere Ruhe
- Boxen mit Weltmeistern: Deckung, Fokus und ein liebevoller Schlag auf den Kopf
- Mit Vollgas durch Saigon: Vespa-Abenteuer zwischen Chaos und Charme
- Pho – Suppengenuss auf den Spuren von Bill Clinton
- Faszientraining: Geh dahin, wo der Schmerz ist
- Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Balance kann man nicht erzwingen
- Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Koh Samui und der Moment mit dem Meer
- Epilog: Rezept für „Soul-Eier“:
- Weiterlesen – mehr Kreuzfahrt-Blogbeiträge
Luxus und Läuterung: Eine Kreuzfahrt zur eigenen Mitte
Hongkong und Vietnam sind nur Zwischenstationen auf der Kreuzfahrt mit der EUROPA2. Das Ziel ist die eigene Mitte.
„Geh dahin, wo der Schmerz ist“, fordert mich Jon auf und lächelt sein süßestes Welpenlächeln. „Dahin, wo es richtig weh tut. Dann wird es gut.“
Hingehen, wo der Schmerz ist?
Eigentlich wollte ich doch bloß auf Kreuzfahrt. Mit der EUROPA 2, dem weltweit besten Luxusliner, von Hongkong an der Küste von Vietnam entlang bis nach Koh Samui. Ich wollte dahin, wo es schön ist. Von Schmerzen war nicht die Rede.



Diese Reise ist ein Paradox. Wie weit muss ich fahren, um bei mir anzukommen? Fernreisen, vor allem Kreuzfahrten, bringen mich normalerweise in eine psychische und physische Schieflage: der Jetlag und die Verspannungen nach dem Langstreckenflug, der Klimaschock von nasskalt zu schwülwarm, die immer wieder überraschende Erkenntnis, die völlig falschen Kleidungsstücke eingepackt zu haben, das überwältigende Angebot an Köstlichkeiten an Bord, die mich regelmäßig in eine Entscheidungsschockstarre fallen lassen, die immer neuen exotischen Ziele: kaum habe ich beinahe registriert, dort zu sein, bin ich auch schon wieder weg, der Luxus an Bord, der oft in einem krassen Gegensatz zu den Lebensverhältnissen in den angelaufenen Destinationen steht – und allein die Tatsache, dass die Reise überhaupt auf einem Schiff stattfindet.
Diese Reise ist eine hochgradig luxuriöse Veranstaltung, die mir die Augen für die ganz einfachen Dinge öffnen soll. Sieben Tage in einem goldenen Hochseekäfig, zum Zweck der inneren Läuterung und Selbsterkenntnis.
Hongkong: Platz ist Luxus
Noch nicht ganz entknittert vom langen Flug strecke ich meine Beine im Fond des Rolls Royce Phantom aus. Ganz aus, die Vordersitze sind sehr weit entfernt. Abholservice des Peninsula Hotels, einer Grandhotellegende von 1928, die neben der Rolls-Flotte, der vermutlich glattesten Bettwäsche der Welt, einem Helikopter-Landeplatz auf dem Dach des Neubaus, einem Blick von Kowloon auf Hongkong Island, acht Top-Restaurants (darunter eines im Stil einer Almhütte) und einer eigenen Schokoladenmanufaktur vor allem das bietet, das in Hongkong wirklich rarer Luxus ist: Platz.



377 Quadratmeter misst die Penthouse-Suite, in der sich schon Madonna wohlfühlte. (Obwohl die Balkontüren ein wenig schwer zu öffnen sind). Eine normale Wohnung in Hongkong ist ungefähr 50 Quadratmeter groß, darin wohnen Eltern, Kinder, Schwiegereltern und oft auch noch das Hausmädchen. Das ist kein Problem, denn die Menschen sind ungefähr 11 Stunden am Tag bei der Arbeit, den Rest verbringen sie in Restaurants. „Wir sind alle Foodies“, gesteht die PR-Managerin des Peninsula Hotels. Wer nicht isst, trinkt zumindest Kaffee. Oder Yuanyang (auch: Yin Yang), ein Mixgetränk aus Kaffee, schwarzem Tee und gesüßter Kondensmilch. Ein Getränk für die perfekte Balance also – wenn es nicht so wahnsinnig süß wäre.
„Ich stand immer im Weg“, fasste eine Freundin ihre Hongkong-Reise zusammen. Der Satz klingt mir noch im Ohr, während sich Menschentrauben emsig an mir vorbeidrängen Doch ich entdecke auch nahezu menschenleere Orte. Die Treppen des Hongkong Cultural Centers zum Beispiel, einem nahezu fensterlosen rosa Architektur-Trumm, der die exquisite Aussicht aufs Wasser, die darauf dümpelnden Dschunken und die Skyline ignoriert.



Ankunft im schwimmenden Paradies: Willkommen an Bord der EUROPA 2
An Bord der EUROPA 2 gelange ich fast, ohne es zu merken. Eine Gruppe junger Männer, die aussehen, als warteten sie auf ein Boygroup-Casting, löst sich voneinander, einer verwickelt mich in eine charmante Plauderei, tauscht den Reisepass in meiner Hand unauffällig gegen ein Glas Champagner und meine Bordkarte. Mir dämmert, dass dies nicht eine weitere elegante Hotellobby ist, sondern die Rezeptionshalle (sagt man bei Schiffen „Halle“?) des Luxuskreuzers. Hier sind wahnsinnig viele Menschen, die sich anscheinend sehr freuen, mich zu sehen. Sie tragen blaue Hosen, weiße Hemden und Namensschilder. 375 Crewmitglieder sind für maximal 500 Passagiere zuständig.
Den Weg zu meiner Kabine finde ich trotzdem allein. Es ist kein Zimmer (so wird das auf Schiffen sowieso nicht genannt), sondern eine Suite. Mit großem Balkon. Badewanne und Dusche. Und, was mich völlig aus der Fassung bringt: einem Ankleidezimmer. Völlig perplex hänge ich alle meine Sachen auf, sogar die Sportklamotten. Nicht jeder Luxus an Bord ist so offensichtlich, die zwei Kunstwerke von Gerhard Richter sind mir auf dem Weg entgangen.

Seenotrettungsübung oder gediegene Poolparty?
Bei der Seenotrettungsübung – oder offiziell: „obligatorische Sicherheitsübung“ – treffe ich Jon zum ersten Mal. Er ist Amerikaner, will Deutsch lernen und verwickelt mich in ein kurzes Gespräch. Reicher Junge, bestimmt mit seinen Eltern unterwegs, denke ich. Dem Lächeln nach Sohn eines Kieferorthopäden und einer Zahnärztin. Danach plaudere mit einer Schweizerin, die einmal mit einer anderen Kreuzfahrtreederei unterwegs war. Dort gab es lange Schlangen am Buffet, die Leute hätten ihre Ellenbogen ausgefahren. Sie schüttelt sich leicht.
Die Luft ist schwül, das Pooldeck stimmungsvoll beleuchtet, die Übung wirkt eher wie ein gediegener Empfang, wenn nicht alle diese voluminösen Rettungswesten trügen.

Beim Abendessen im „Serenissima“ – einem der sechs Spezialitäten-Restaurants – kommt zu jedem Gang kommt noch jemand vom Service extra, um das Gericht anzusagen: „Und hier haben wir ein wundervolles Risotto mit einem Hauch von … und … darunter verbirgt sich noch …“ – es ist eher eine Lobpreisung als eine bloße Beschreibung. Ein faszinierendes Schauspiel, das jeden Abend in jedem Restaurant aufgeführt wird.
Und das ist nur das normale Programm.
Begegnungen, die man nicht kaufen kann
Diese Reise ist etwas Besonderes: Die Premiere des neuen „IN2BALANCE“-Formats. Eine Kreuzfahrt, die die Passagiere ins Gleichgewicht bringen soll.
„Wir versuchen, etwas zu geben, das man woanders nicht kaufen kann: Begegnungen“, sagt Malisa Jarck, Artistic Director Show Acts & Sports bei Hapag-Lloyd Cruises. Dann stellt sie die illustre Runde derer vor, denen wir begegnen, die uns „beeindrucken und beeinflussen“ und von denen wir „etwas mitnehmen“ sollen: Regina Halmich und Sven Ottke („Boxen mit den Weltmeistern“), Holger Stromberg (Koch und Ernährungsberater der Fußballnationalmannschaft), Dr. Patrick Broome (Yogalehrer der Fußballnationalmannschaft) und Jonathan Hippensteel. Jon. Model und Faszientrainer. Und wirklich der Sohn eines Kieferorthopäden, allerdings ohne seine Eltern an Bord. „Ich habe Strategien entwickelt, in Form zu bleiben und mein Leben zu genießen“, strahlt er.
Yoga mit Meerblick: Tränen gehören dazu
Am nächsten Morgen beim Yoga mit Patrick kullern die Tränen. Nicht vor Schmerz, nicht vor Anstrengung. Die Übungen sind nicht schwierig, aber sehr intensiv und perfekt angeleitet. Zum Ende der Stunde nehmen wir die Meditationshaltung ein. „Denke an etwas Schönes in Deinem Leben“, fordert Patrick uns auf. Der warme Seewind streicht durch unsere Haare, die Sonne blinzelt durch die geschlossenen Lider. „Und nun fühle die Dankbarkeit, dass es so etwas Schönes in Deinem Leben gibt.“ Schluchz. Dann legen wir uns auf die Seite. „Jetzt ist es Zeit, loszulassen“, sagt Patrick. „Loszulassen von den Ängsten, nicht gut genug zu sein. Du bist genau richtig, wie Du bist.“ Wow. Das sagt der einfach so. Und wir alle sind, überrascht und aufgelöst in Tränen, bereit ihm zu glauben.
Reizüberflutung in Vietnam: Märkte, Seidenraupen und Tempo
Gegen diese sanften, innerlichen Erlebnisse sind die Landausflüge in Vietnam grellkreischbunt. Der Markt in Hoi An. Die Stände mit neonfarbenen, glibbrigen Geleewürfeln. Die Laternenmanufakturen mit dem beißenden Klebstoffgeruch. Die Seidenmanufaktur mit Schränken voller Seidenrauben – und großen Rahmen, an denen die Maden sich verpuppen. Die weichen Stoffe, gewonnen aus den abgekochten, versponnenen Kokons. Der Tempel mit den betörend duftenden Weihrauchspiralen, an denen Zettel voller Wünsche hängen. Leuchtende Fischernetze. Niedrige Häuser – die Altstadt gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe – voller Läden. Einzelne Vögel in viel zu kleinen Käfigen. Van, unsere Reiseleiterin, beschwert sich, wir seien zu langsam, würden trödeln, wir müssten jetzt schnell zurück zum Bus, zum Schiff.



Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Beim Kapitän auf der Brücke
An einem ruhigen Seetag empfängt der Kapitän Ulf Wolter auf der Brücke Besuch. Er ist ein Mann von gewinnend lässiger Schlacksigkeit, mit geschmeidigen Bewegungen, guter Haltung und freundlich-entspannter Stimme, der auch ohne seine fundierte nautische Ausbildung und seiner Herkunft aus einer Krautsander Seefahrerfamilie als glaubwürdiger Kreuzfahrtschiffkapitänsdarsteller durchginge. Geduldig beantwortet er jede Frage, auch die laienhafteste.
„Ja, Das Schiff ist in Balance. Nein, es kann nicht umkippen.“
Allerdings: Wenn etwas verändert wird, muss das Gewicht ausgeglichen werden. Wenn oben etwas dazu kommt, muss es unten auch dazu – oder noch weiter oben weg. Wenn mehr Teakholzstühle auf dem Sonnendeck stehen sollen, darf der Schornstein nicht mehr aus Stahl, sondern aus sehr viel teurerem, leichteren Aluminium sein.



Balance auf hoher See: Gin-Tasting vs. innere Ruhe
Aber ich kann vielleicht umkippen. Jedenfalls nach dem Gin-Tasting. Dabei probieren wir nur drei Sorten, erst pur, dann mit Garnitur – Zitronen-Zesten oder auch ein kurz angeflammter Rosmarinzweig – und schließlich mit Tonic. Die nächste Formatreise heißt dann „Gin2Balance“, witzeln wir.

Boxen mit Weltmeistern: Deckung, Fokus und ein liebevoller Schlag auf den Kopf
Die Ginverkostung gehört nicht zum Balance-Programm, der Boxworkshop bei Regina Halmich und Sven Ottke schon. Wie passt das? Vorurteile abwerfen und sich fokussieren, sind die Stichworte, die Regina Halmich dazu nennt.
Sie macht das Aufwärmtraining. Hüpfen, Arme kreisen, Hüfte drehen, Hampelmann – flotte, freundliche Gymnastik, die erste Röte auf die Wangen zaubert und ein paar Schweißtröpchen glitzern lässt.
erklärt die Technik: Beine hüftbreit, linker Fuß vor, das Gewicht auf den vorderen Fuß, beim rechten Fuß wird nur der Ballen belastet. Leicht nach vorne neigen, Hände zu Fäusten (Daumen aussen!), parallel seitlich an die Wangen. Der Schlag kommt vom Fuß über die Hüfte und die Schulter in die Faust, die erst im letzten Drittel des Weges dreht. Schritt gleichzeitig mit dem Schlag. Den Arm ganz ausfahren.
Links, rechts. Üben!
Wir glitzern vor Schweiß.
Sven Ottke provoziert, geht ganz dicht ran, unterschreitet jegliche persönliche Distanz. Deckung!
Einzeln holt Sven Ottke sich die Kandidaten zum Pratzentraining (Training am Schlagkissen) auf die Bühne des Theaters.
Eins, zwei – „neee, links ist eins und rechts ist zwei“. Zack – klatscht er mir die Pratze auf den Kopf. „Und Deckung! Haste wieder vajessen, wat? Du bist vielleicht süß!“
Mit Vollgas durch Saigon: Vespa-Abenteuer zwischen Chaos und Charme
Deckung halten hilft vielleicht beim Ben-Thanh-Markt in Saigon, wo neben gigantischen Zimtstangen, exotischen Früchten und getrockneten Krabben hauptsächlich Fake-Designer-T-Shirts und -taschen gehandelt werden. Aber bestimmt nicht bei der Vespa-Tour durch Saigon.



„Ihr müsst euch keine Sorgen machen“, hat uns unser Guide Dong vorher beruhigt. „In Saigon gibt es nur gute Motorrollerfahrer.“ Er lächelt keck unter seiner Pilzkopffrisur: „Die schlechten sind alle schon tot.“
Mein Vespa-Fahrer heißt Nhat, jung, drahtig, dynamisch und mit breitem Grinsen, er reicht mir nicht ganz bis zur Schulter. Er reicht mir einen Mundschutz, das scheint das allerwichtigste Accessoire in der Stadt zu sein. Zum Helmaufsetzen beuge ich mich hinunter, schwinge mich hinter meinen Fahrer auf die Vespa, umklammere den Griffbügel. Dann rauscht Saigon – oder: Ho Chi Minh Stadt, wie es heute offiziell heißt – an mir vorbei. Wir sind in gigantischen Schwärmen von Motorrollern unterwegs, die sich nach geheimen Regeln immer wieder neu formieren. Nhat gibt manchmal seltsame Handzeichen, als könnte er allein durch Gesten den Gegenverkehr aufhalten, um dann geschmeidig kleinste Lücken zu nutzen.



Die Stopps sind kurz: der Blumenmarkt, ein Tempel und eine chinesische Apotheke mit Wunderwürmern, „magic mushrooms“, Nestern aus Vogelspucke und Seepferdchenschnaps, alles „gut für die Potenz“. Und an einer großen Baustelle, dort entsteht die allererste U-Bahn der Stadt, 2018 soll sie eröffnet werden. Ob das eine ernsthafte Konkurrenz für die sechs Millionen Motorroller sein wird?
Darauf sind hier ganze Familien unterwegs: das Baby im Hochstuhl zwischen die Beine geklemmt, Mutter und Kinder eng aneinandergeschmiegt, so bleibt auch noch Platz für einen Flachbildschirmfernseher, diverse Schocks Hühnereier, eine Mülltonne oder ein ausladendes Blumengesteck. Vermutlich gibt es nichts, das ein Vietnamese nicht auf einem Motorroller transportieren kann.



Pho – Suppengenuss auf den Spuren von Bill Clinton
Im dreistöckigen Restaurant Pho 2000 bestellen wir das vietnamesische Nationalgericht: Pho. Eine Nudelsuppe, deren Brühe durch Gewürze wie Zimt und Sternanis unverwechselbar gut schmeckt. Gesprochen wird Pho übrigens „Pfoah“, der Ton kommt ganz hinten aus dem Hals. Die Tonhöhe ist auch wichtig, wer daneben liegt, bestellt etwas ganz anderes, zum Beispiel eine „heiße Schlampe“. Bill Clinton, der auch bereits bei Pho 2000 gespeist hat (der Fotobeweis hängt vielfach an der Wand), bekam aber wohl die gewünschte Suppe.

Auswärts gestärkt, fällt die Mäßigung, die Holger Stromberg in seinem Ernährungsworkshop nahelegt, leicht. Er sagt: „Morgen ist das Buffet auch noch da. Einfach mal die Hände in den Hosentaschen lassen und überlegen: Was brauche ich wirklich?“ Er wundere sich, was viele Menschen unreflektiert zu sich nehmen, nicht nur, was die Menge, sondern auch, was die Qualität betrifft, und mahnt: „Der Mund ist ein sehr intimer Ort, da wollen Sie nicht alles drin haben.“
Beim Abendessen im Yachtclub versuche ich, auch seinen Ratschlag „An allem, was Sie essen, sollten Sie immer erst riechen!“ zu beherzigen. Möglichst unauffällig schnuppere ich am frischen Fisch vom Grill, Hummern und Austern und am bestimmt drei Meter langes Käsebuffet mit dem allerbesten Gorgonzola. Nur die Dessertecke meide ich, dort hat Holger Stromberg, flankiert von Patrick Broome und dem Sänger Gentleman, Position bezogen und überwacht die Süßspeisen.
Faszientraining: Geh dahin, wo der Schmerz ist
Jon hechelt. Wie ein aufgeregtes kleines Hündchen, das ein Stofftier apportiert hat und nun auf sein Leckerli hofft. Die von Holger Stromberg bewachten Desserts sind aber kein Thema im Faszientraining-Kurs. Und das Hecheln ist eine Aufwärmübung, die uns Jon so enthusiastisch vorführt, dass die Kursteilnehmer sie gerne mitmachen (ich auch, wenn ich nicht so kichern müsste). Dann unterweist uns Jon in der Kunst der Selbstmassage mit der Blackroll, einem Ball und einem weiteren Schaumstoffteil, das wie eine große Erdnuss geformt ist.
Wir rollen mit dem Fuß, dann mit dem Unter-, dem Oberschenkel und der Hüfte über die dezenten Foltergeräte. Immer schön auf den Muskeln, nicht auf den Knochen. Jon ermuntert uns, den Schmerz zu spüren: ist es „guter Schmerz“, der sich anfühlt, als würde eine Massage auf verhärtete Muskeln treffen: weitermachen. Ist es „schlechter Schmerz“, also einer, der plötzlich kommt und sticht: aufhören. Wir jaulen. Jon setzt sich lächelnd auf einen kleinen, harten Ball. „Ich mache das immer im Flugzeug“, sagt er. „Das Ding ist so klein, man kann es leicht mitnehmen. Und es ist guter Gesprächsstoff. Und ich mache mich lieber lächerlich, als dass ich nach dem Langstreckenflug zwei Tage brauche, bis ich wieder hergestellt bin.“
Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Balance kann man nicht erzwingen
Ach ja, der Langstreckenflug. Was ist aus all meinen lächerlichen Bedenken vor der Reise geworden? Haben sich in dieser besonderen Atmosphäre der Umsorgtheit einfach aufgelöst.
Die sieben Tage kamen mir vor wie ein einziger.
Bin ich nun ausgeglichen?
„Balance kann man nicht erzwingen, man kann sie nur erspüren“, sagt Patrick, als wir, die Augen geschlossen, an Deck des Schiffes mit Kurs auf Koh Samui um unser Gleichgewicht kämpfen.



Kreuzfahrt mit der EUROPA 2: Koh Samui und der Moment mit dem Meer
Beim Ausschiffen vor Koh Samui bemerke ich zum ersten Mal das Meer. Nicht, dass ich es nicht vorher auch schon gesehen hätte. Es war ja immer da, als grandiose Fototapete, als friedliche Kulisse. Es lag still und glatt und rührte sich kein bisschen, als die EUROPA 2 es durchschnitt. Nun muckt es ein bisschen, lässt die kleinen Tenderboote tanzen. Zwischen der Mini-Gangway, die aus dem Mutterschiff ragt und dem Boot tun sich immer wieder neue Lücken auf. Starke Arme kleiner Matrosen geben Halt, die Kluft zu überwinden. Gischt fliegt mir hinterher, ich schmecke Salz. Jetzt fühlt es sich an wie eine Seefahrt! Doch da ist die EUROPA 2 nur noch ganz klein am Horizont zu erkennen.
Ich fuhr weit weg – und landete in meiner Mitte. Ganz bei mir selbst.
Ich ging dorthin, wo der Schmerz ist. Und kam zurück mit dem besten und einfachsten Rezept für „Soul-Eier“. Auch wenn sie nicht danach aussehen, so haben sie doch überzeugende innere Werte.

Epilog: Rezept für „Soul-Eier“:
Fünf (oder zehn, die Zahl ist willkürlich gewählt) ungefähr zehn Minuten lang hart kochen. Abpellen, in ein Glas füllen. Nach Wunsch Gewürze wie gehackte Chilischoten oder Ingwer dazugeben. Mit Sojasauce auffüllen, bis alles vollständig bedeckt ist. Glas verschließen, Eier mindestens über Nacht darin ziehen lassen. „Gut für die Hirnleistung“, sagt Holger Stromberg.
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