Liebe Freundinnen von Welt,
ich lade Euch ein zu einem Spaziergang durch Kolonnaden und in einer Architektur, die wie eine Theaterkulisse entworfen wurde. Häuser wie Sahneschnittchen. Wir treffen eine engagierte Kurärztin, die Bürgermeisterin und einen Historiker, der sich dafür engagiert hat, das Karlsbad Teil des UNESCO Welterbes wurde. Wir sehen Quellen und trinken daraus – auch aus der sogennanten 13. Quelle. Wir werfen einen Blick in legendäre Hotels wie das Grandhotel Pupp und das Hotel Thermal. Wir fahren mit einer der letzten Kutschen. Es gibt Kuchen und Hochprozentiges. Und viele Tipps!
Eure Kirsten, Freundin von Welt
Inhaltsverzeichnis
- Hier sind meine Tipps – kleine Karlsbader Häppchen (oder besser: Schlückchen):
- An der Quelle trinken: das Wasser
- Nicht ohne meinen Schnabelbecher!
- Das schönste Provisorium: die Marktkolonnade
- Symmetriefans im Säulenrausch: die Mühlbrunnkolonnade
- Karlsbader Sprudel
- Eine Stadt wie ein Lied: Tipps der Bürgermeisterin
- Die Kurärztin und ihr Hotel Prezident
- Sahnetörtchen-Architektur
- Legende: Grandhotel Pupp
- Beste Aussicht: Hotel Thermal
- Kutschfahrt
- Die 13. Quelle: Becherovka
- Zwischen heißen Eisen: Karlsbader Oblaten
Hier sind meine Tipps – kleine Karlsbader Häppchen (oder besser: Schlückchen):
Eine elegante Kurstadt, wie hingegossen ins Tal der Tepla, umgeben von bewaldeten Hängen: Karlsbad ist ein Schmuckstück. Oder gar ein „Brillant in einer Smaragdfassung“, wie Alexander von Humboldt mit Blick auf die grüne Umgebung schwärmte. Der Ort selbst begeistert mit abwechslungsreicher, theatralischer Architektur, internationalem Leben und natürlich den Quellen. Seit Sommer 2021 ist Karlsbad als „Great Spa Town of Europe“ Teil des UNESCO Weltkulturerbes.
An der Quelle trinken: das Wasser
Karlsbad heißt eigentlich Karlovy Vary. Und, so unsere Reiseleiterin Jitka: „Vary heißt Warmbad. Ganz genau sagt sie: „Brühendes Wasser“. Der Sprudel ist bis zu 73°C heiß.
„Die Trinkkur ist wie ein Hausputz, da braucht man auch mehr Wasser als Chemie“, sagt Kurärztin Dr. Milada Sarova. „Eine innere Dusche“, bestätigt Jitka.
Dr. Sarova forscht schon lange zur Wirkung des Wassers auf das Immunsystem. Sie erzählt die Geschichte der Wasserkuren in Karlsbad:
200 Jahre lang wurde im Wasser nur gebadet, das war die „Hautfresserkur“. Bis zu acht Stunden blieben die Leute in der Wanne, die Haut schälte sich ab, man glaubte, durch die Narben verschwindet die Krankheit. Dann gab es die „pyramidale Kur“, bei der die Leute bis zu acht Liter Wasser täglich getrunken haben. Das war mitunter tödlich.
Im 18. Jahrhundert machte Dr. Becher, das war der „Aristoteles für Karlsbad“ eine erste chemische Analyse des Wassers. Und er hat festgestellt: Das Wasser muss man an der Quelle trinken. Deshalb wurden die Kolonnaden gebaut.
Wichtig ist die Trinktechnik: 1 Schluck auf 10 Schritte.
Nicht ohne meinen Schnabelbecher!
Ohne diesen eigenartig geformten Trinkbecher ist hier niemand unterwegs. Warum auch? Er „erhöht in bedeutendem Maße die Effektivität der Trinkkur“, heißt es bei einem Hersteller. Das Wasser soll Schluck für Schluck getrunken werden, durch den langen, geschwungenen Schnabel, so kühlt es ein bisschen ab. Den Geschmack verändert diese ausgefeilte Trinktechnik allerdings nicht. Und heißt der Schnabelbecher eigentlich wirklich so oder doch eher Kurtasse oder Kurbecher? Egal, solange man ihn nicht mit dem Becherovka verwechselt – aber das ist ein anderes Schlückchen.
Das schönste Provisorium: die Marktkolonnade
Provisorien sind haltbar. Haltbarer als alles andere. Das die Marktkolonnade ein Provisorium war, ist kaum zu glauben. Das hölzerne Gebilde im „Schweizer Stil“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und sieht aus wie eine Kreuzung aus Berghütte und Tortenspitze. Als die Kolonnade länger als ein Jahrhundert stand, wurde sie renoviert. Nun strahlt sie wieder, ganz in weiß. Und als ich gerade vorbeigehen will, wird Musik gespielt – ich bleibe stehen für ein kleines Päuschen. Fühlt sich sehr kultiviert an!
Symmetriefans im Säulenrausch: die Mühlbrunnkolonnade
Eine besondere Zierde ist die Mühlbrunnkolonnade mit ihren vielen Säulen. Genaugenommen sind es 124 korinthische Säulen, zwischen denen ich gerne flaniere. Wer auf Symmetrie steht, wird diesen Ort lieben! Im Inneren der größten Karlsbader Kolonnade (132 Meter lang) sprudeln gleich fünf Mineralquellen: der Mühlbrunnen, die Rusalka- Quelle, Fürst-Wenzel-Quelle, Libussa-Quelle und Felsenquelle. Und oben auf der Balustrade stehen zwölf Sandsteinstatuen, die die Monate des Jahres symbolisieren.
Karlsbader Sprudel
Die heiße Fontäne schießt gewaltig in die Höhe – bis zu 12 Meter. Normalerweise tut sie das in der Sprudelkolonnade unter einer Kuppel aus Glasprismen, doch der 70er-Jahre-Bau wird gerade renoviert, deshalb wurde der Sprudelbrunnen auf den Vorplatz verlegt und tobt dort seine Naturgewalt aus.
Eine Stadt wie ein Lied: Tipps der Bürgermeisterin
Auf der Terrasse der Hotel Thermal treffe ich Andrea Pfefer-Ferklová, die Bürgermeisterin von Karlsbad. Hier sind drei Zitate von ihr aus unserem Gespräch:
„Die Atmosphäre der Stadt ist wie ein Lied, alle müssen zusammenspielen. Und das soll der Gast spüren, das Gefühl soll er mit nach Hause nehmen.“
„Komponisten, Schriftsteller und Dichter haben hier Inspiration gesucht und gefunden.“
„Die Ernennung zum UNESCO Weltkulturerbe bedeutet Vertrauen und Verpflichtung. Die Kur soll immer Tradition bleiben, aber wir wollen die Stadt weiterentwickeln. Eine richtige Kur dauert 2 bis 3 Wochen, Wellness nur 3 bis 4 Tage.“
Drei Lieblingsorte von Bürgermeisterin Andrea Pfefer-Ferklová in Karlsbad:
- Die Mühlbrunnkolonnade
- Ein Spaziergang durch den Kurwald zur Kapelle St. Leonhard
- Die Hotellegende Pupp, „die trage ich immer im Herzen“
Die Kurärztin und ihr Hotel Prezident
Wir wohnen im Hotel Prezident, dem Haus der Kurärztin Dr. Milada Sarova. Gebaut wurde es von einem ihrer Söhne, „um Mutti eine Freude zu machen“, wie Reiseleiterin Jitka sagt. Klingt sehr privat für ein „Luxury Spa & Wellness Hotel“, ist aber ganz wunderbar. Das Haus ist aus dem Jahr 2010, schön, schlicht, modern mit einem raffinierten, dezenten Design-Ambiente. Sehr effektvoll die Onyx-Wandverzierung im ansonsten betont schlichten Schwimmbad. Und von der Dachterrasse (auf die Dr. Sarova ihre Gäste gerne schickt, „an die frische Luft“) hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt.
„Wenn die Menschen zu mir kommen, öffnen sie mir ihr Herz“, sagt Dr. Milada Sarova. Zu ihren Gästen zählten schon Präsident Václav Havel, Michail Gorbatschow, Ben Kingsley, Gerard Depardieu und viele andere bekannte Persönlichkeiten. Im Gespräch mit Dr. Milada Sarova wird sofort klar, dass die menschliche Komponente bedeutend ist: Sie fragt, sie hört zu, sie schafft sofort eine Verbindung. Ich möchte ihr mein Herz ausschütten, nicht, dass da groß was auszuschütten wäre, aber Dr. Sarova weckt dieses Bedürfnis.
Drei Dinge, so Dr. Sarova, sind für das Gelingen einer Kur wichtig:
Erstens: Gut schlafen, etwa 8 Stunden.
Zweitens: Atmen, am besten in Bewegung, bei Kurspaziergängen durch die therapeutische Landschaft
Drittens: Wasser. In Karlsbad haben wir im Wasser alles! (Sie zählt noch ein paar Dinge auf, Sulfate usw., unmöglich, sich das alles zu merken.)
Eine ärztlich abgestimmte Trinkkur. Denn jede Quelle ist anders.
Wer sich in die Obhut von Dr. Sarova begeben möchte oder einfach nur ein richtig schönes und zentral gelegenes Hotel sucht, findet es hier:
hotelprezident.cz/de
Sahnetörtchen-Architektur
„Stelldichein der Sahnetörtchen“ nannte der französische Architekt Le Corbusier die Architektur in Karlsbad. Lauter süße Lagen aus Baustilen. „Man könnte meinen, dass sei positiv gemeint gewesen …“, kommentiert der Historiker und Denkmalschutzbeauftragte Mag. Lubomir Zeman das Zitat. Zeman sagt: „Die Architektur in Karlsbad ist wie ein Theater, sie sollte unterhalten. Zuerst denkt der Gast, er sei in Italien, dann in Frankreich, ein paar Häuser weiter sieht er englische Motive, die Martkolonnade ist im Schweizer Stil gehalten, aber auch arabische Gäste erkennen ihre Ornamentik wieder.“ Er freut sich, dass das Kaiserbad renoviert wird, 2023 ist es voraussichtlich fertig.
UNESCO Weltkulturerbe „Great Spa Towns of Europe“
Mag. Lubomir Zemann hat 1500 Bäder bereist und hat den Entwicklungsprozess für den Antrag zum UNESCO Weltkulturerbe „Great Spa Towns of Europe“ entscheidend vorangetrieben. Er nennt die Kriterien, die jede der „Great Spa Towns“ erfüllen muss:
– Naturheilmittel
– Blütezeit / Hauptentwicklung während des 19. Jahrhunderts
– therapeutische Landschaft
– hervorragende Bäderarchitektur, die bis in die Gegenwart funktional ist (also wirklich auch für Anwendungen genutzt wird)
– reiches kulturelles und gesellschaftliches Leben, internationale Veranstaltungen, bis in die Gegenwart
Karlsbad erfüllt alle Kriterien, ebenso wie Marienbad und Franzensbad.
Die drei Lieblingsorte von Lubomir Zeman in Karlsbad:
- Die Marktkolonnade und der Platz davor, bis zur Kirche St. Maria-Magdalena – das Herz der Stadt
- Der „Dorotheen-Pavillon“ von 1791 auf einem Felsen hinter dem Grandhotel Pupp. Dort „meditierte“ Casanova, deshalb heißt er auch „Pavillon der Liebe“.
- Das Villenviertel Westend mit seinen prachtvollen Häuser
Legende: Grandhotel Pupp
Eine Legende! In dem 5-Sterne-Hotel mit dem grandiosen historischen Ambiente wurden u.a. Szenen des James-Bond-Film „Casino“ gedreht. Die Gästeliste reicht von Beethoven bis Haile Selassie. In der Einfahrt glänzen metallene Steine mit bekannten Namen im Boden, ich entdecke Keira Knightley und Leonardo Di Caprio (also: ihre Namen). Als wir hineingehen, betritt hinter uns Michael Caine (der Echte!) die Halle. Die Kuchen im Café sind auch ganz vorzüglich!
pupp.cz
Beste Aussicht: Hotel Thermal
Hochhaus plus und Kongresszentrum in Form eines Filmprojektors! Frisch renoviert zeigt sich das Hotel Thermal, der funky 70er-Jahre-Style wurde dabei in vielen Details erhalten. Eine Perle des Brutalismus! Wunderbarer Ausblick aus den höheren Stockwerken (auch aus dem Flur dort). Heißes Extra: Das auch Besuchern zugängliche 50-Meter-Freibad wird vom „Sprudel“ gespeist.
thermal.cz/de/hotel
Kutschfahrt
Nur noch sechs Pferdekutschen gibt es in Karlsbad. In einer davon lassen wir uns von der Mühlbrunnkolonnade zum Becherovka-Museum fahren. Der rote Samt der Sitze ist ein wenig abgewetzt, aber das trägt nur dazu bei, dass ich mich in der Geschichte zurückversetzt fühle. Die Kutsche ist eine Zeitmaschine, gezogen von den beiden kräftigen Schimmeln Caesar und Artus. Sie sind sehr brav, ihre Hufe klappern gleichmäßig auf dem Pflaster. Von welcher Rasse die Pferde sind, frage ich, aber es scheint Übersetzungsprobleme zu geben. „Wallache“, antwortet die Reiseleiterin, nachdem sie sich mit dem Kutscher besprochen hat. Nicht ganz die Antwort, die ich erwartet hatte.
Die 13. Quelle: Becherovka
„Die 13. Quelle“ wird der in Karlsbad erfundene und produzierte Kräuterlikör auch genannt. Zur Tour durchs Museum in der einstigen Original-Produktionsstätte gehört eine Verkostung. Dabei kommen neben dem Original auch neuere Sorten auf den Tisch. Ob diese „13. Quelle“ so förderlich für die Gesundheit ist wie die anderen Quellen, wage ich zu bezweifeln, aber lecker ist das Zeugs. Schlückchenweise getrunken, natürlich. Oder als Longdrink, auch Becherovaka und Tonic Water – schon wegen des Namens toll: BETON.
karlovyvary.cz/de/besucherzentrum-becherovka
Zwischen heißen Eisen: Karlsbader Oblaten
Zum Schluss noch ein krosses Häppchen: Eine Oblate auf die Hand. Noch ganz warm, frisch gefüllt und zusammengepresst. Dafür streut eine Dame im Oblaten-Shop die Haselnussmasse auf eine runde Teigscheibe, legt eine zweite Scheibe drüber und dann das ganze Paket auf ein sich drehendes Waffeleisen, von oben presst ein zweites Eisen drauf – und nach einer kleinen Karussellfahrt ist der süße Snack fertig. Einst entwickelt als „leichte Zwischenmahlzeit“ für das adlige Kurpublikum, ist die Karlsbader Oblate immer noch gefragt. Haselnuss ist die klassische Füllung, mittlerweile gibt es aber eine große Auswahl von Schoko bis Chili. Bunte Kartons stapeln sich in Läden und an Ständen. Echte Karlsbader Oblaten sind an der kleinen Fontäne auf der Packung zu erkennen. Dann ist auch Karlsbader Wasser drin.
Wer mehr über Karlsbad, das Westböhmische Bäderdreieck oder Urlaub in Tschechien lesen möchte, klickt hier:
visitczechrepublic.com und karlovyvary.cz/de
Offenlegung: Die Tschechische Zentrale für Tourismus – Czech Tourism – hat mich zu dieser Reise ins Westböhmische Bäderdreieck eingeladen. Für das ADAC Reisemagazin, Ausgabe 186, erschienen im Dezember 2021, habe ich eine Reportage über Karlsbad, Marienbad und Franzensbad geschrieben. Auf diesem Blog verarbeite ich weitere Reiseimpressionen.
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