Oberpfälzer Waldzauber: Warum das Waldnaabtal entschleunigt

Liebe Freundin von Welt,

der Herbst ist ja bekanntlich die Jahreszeit, in der selbst Bäume loslassen können – und wir sitzen da, mit Tee und To-do-Liste, und fragen uns, wie das eigentlich geht. Die Antwort? Liegt im Waldnaabtal im Oberpfälzer Wald.
Dort, wo die Waldnaab gluckert wie eine zufriedene Katze und der Granit sich seit 300 Millionen Jahren beim Verwittern schamhaft versteckt.

Das Waldnaabtal ist im Herbst ein Zauberspiegel: golden, still und mit der leisen Arroganz eines Ortes, der weiß, dass er keine Filter braucht. Zwischen Felsen, Farn und Fluss vergisst man, dass man eigentlich ständig etwas „erleben“ wollte – weil das hier schon reicht.

Hier verläuft, so sagt man, die schönste Etappe des Goldsteigs.

Ich zeige dir, warum ein Spaziergang im Waldnaabtal besser ist als jeder Wellnessurlaub – nur mit mehr Moos und weniger Bademantel.

Deine Kirsten, Freundin von Welt

Sommertipp: der fast geheime Zeltplatz

Manche Orte kennen keine Eile. Der Trekkingplatz Zeitelfleck zum Beispiel – irgendwo zwischen Fichten, Farnen und dem Gefühl, dass die Welt hier einen Gang runtergeschaltet hat. Kein Strom, kein Empfang, kein Feuer (streng verboten, versteht sich – Waldbrandgefahr). Statt knisternder Flammen also: das Rascheln von Blättern und das entfernte Murmeln der Waldnaab und des Frombachs, die sich durchs Tal schlängeln.

Ich krieche aus dem Zelt. In der Morgensonne dampft der Tau vom Gras, und ich auch ein bisschen – dank Ostfriesentee aus meiner ein-Liter-Isolierkanne, ohne die eine Freundin von Welt selbstverständlich nicht verreist. Kaffee ist etwas für Hektiker, Tee für Menschen mit Geduld. Und die braucht man hier – spätestens, wenn man versucht, den Schlafsack wieder so zu falten, wie er mal verpackt war.

Gestern Abend saßen wir noch beim „Zoigl“ in Falkenberg – süffig, lokal und gefährlich gesellig. Jetzt ist die Welt still, nur mein Kopf brummt leise im Waldrhythmus. Ich nenne das Ausgleich.

In ein paar Minuten wird Rangerin Michaela Griener auftauchen, mit Filzhut, festem Schritt und einem Herzen für Granit, Gneis und Flussperlmuscheln. Sie kennt hier jeden Stein beim Vornamen und kann aus einem Stück Fels mehr Lebensweisheit ziehen als ich aus einem Jahr Achtsamkeitstraining.
Aber dazu später mehr.

Jetzt: ein weiterer Schluck Tee, tief Luft holen – und einmal ganz bewusst nicht wissen, wie spät es ist.

Zeitelfleck Trekkingplatz im Waldnaabtal
Zeitelfleck Trekkingplatz im Waldnaabtal

Der Trekkingplatz Zeitelfleck: Luxus aus Luft und Laub

Es gibt Orte, die alles haben – Infinity-Pools, Minibar, Roomservice. Und dann gibt es den Zeitelfleck. Der hat: Bäume, Stille und eine Trockentoilette mit dem Charme einer philosophischen Einsiedelei.

Fünf Zeltplätze, kein Strom, kein Wasserhahn – aber ein Sternenhimmel, der jede Wellnesslampe in Verlegenheit bringt. Wenn man hier übernachtet, merkt man schnell, dass Minimalismus kein Trend ist, sondern ein Reset-Knopf. Alles Überflüssige bleibt im Auto (das einige Kilometer entfernt auf einem Wanderparkplatz steht). Oder besser: im Kopf.
Ich habe abends noch versucht, mich an ein Lagerfeuer zu träumen. Ging nicht – Feuer ist verboten, und das ist gut so. Stattdessen saß ich da, in meine Jacke gewickelt, und habe den Wald atmen gehört. Er kann das nämlich. Ganz leise.
Der Platz liegt so abgeschieden, dass man meint, man sei der letzte Mensch auf der Landkarte.

Dabei ist er erstaunlich modern organisiert: Online buchbar, nur eine Nacht erlaubt, 15 Euro pro Zelt. Bezahlt wird per Überweisung.

Kein Netz, kein Empfang. Aber dann fiel mir auf: Das hier ist das Netz. Ein sehr altes. Mit Moos als Datenleitung und Wind als Router.

Am Morgen dann Tee statt Dusche, Waldduft statt Parfum. Ich fühlte mich, als hätte mich jemand auf Werkseinstellungen zurückgesetzt – nur mit leichtem Hang zu Fichtennadelduft.

Der Zeitelfleck ist kein Ort für Glamping. Er ist der Ort, an dem man merkt, dass Luxus einfach nur Ruhe sein kann.

Zeitelfleck Trekkingplatz im Waldnaabtal

Eine Rangerin, ein Fluss und jede Menge Steine

Aus dem Wald tritt Michaela Griener – Filzhut, Fernglas, feste Schuhe, das Lächeln einer Frau, die weiß, wie man Menschen zum Staunen bringt.

Michaela ist Rangerin im Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald, studierte Geografin mit Schwerpunkt auf Geomorphologie, also auf alles, was aus Gestein, Boden und sehr viel Geduld besteht. Ich wusste gar nicht, dass man so etwas lieben kann. Aber sie tut es. Und zwar mit einer Begeisterung, die sogar Granit sympathisch macht.

Seit Juli 2022 macht sie das hauptberuflich, davor war sie 15 Jahre lang ehrenamtliche Geopark-Rangerin.
„Wir feiern dieses Jahr übrigens 50 Jahre Naturpark-Jubiläum“, sagt sie, während wir loslaufen. „Unsere Arbeit ruht auf vier Säulen: Besucherlenkung, Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung, Monitoring und Forschung – und natürlich Landschaftspflege.“ Dann bleibt sie kurz stehen, um einen Aufkleber von einem Schild abzuziehen. „Das gehört auch dazu“.

Die Waldnaab begleitet uns wie eine alte Bekannte – manchmal glucksend, manchmal schweigend. An den Ufern glitzern die Steine im Sonnenlicht, und Michaela beugt sich über einen Brocken, als sei es ein alter Freund.
„Feldspat, Quarz und Glimmer – die drei vergess ich nimmer“, sagt sie und ich denke: Das klingt fast wie eine Boyband aus der Erdgeschichte.

Raupe vom Tagpfauenauge

Eine divenhafte Muschel und verschämtes Gestein

Michaela erklärt mir, dass Granit 300 Millionen Jahre alt ist, also deutlich älter als mein Humor, und dass er „ein bisschen wie der Oberpfälzer selbst“ sei – stur, bodenständig und nicht kleinzukriegen.

Sie zeigt auf die rundlichen Felsblöcke – die sogenannte Wollsackverwitterung.
„Der Granit ist g’schamig“, sagt sie. „Er verwittert unter der Erde. Erst, wenn der Verwitterungsmantel abgetragen wird, kommen die runden Formen ans Licht.“
Ich schaue auf die gewaltigen Steine und denke: Wenn das Gestein Scham kennt, bin ich nicht allein.

Wir kommen an einer kleinen, klaren Stelle des Flusses vorbei. Hier erzählt sie von der Flussperlmuschel – einer Diva der Natur. „Sie ist empfindlich, aber wichtig“, sagt Michaela. „Eine Schirmart. Wenn sie verschwindet, wissen wir, dass das ganze System kippt.“

Ihr Wirtstier ist die Bachforelle – dort nistet sich die Muschellarve in den Kiemen ein, entwickelt sich, fällt dann zu Boden und bleibt zwei Jahre im Kies, bevor sie eine richtige Muschel wird. Ich höre ihr zu, während die Sonne durchs Laub sticht, und denke: So viel Geduld muss man erst mal haben.

„Sie kann bis zu 120 Jahre alt werden“, fügt Michaela hinzu. 120 Jahre! Ich schaffe kaum 120 Sekunden Stille ohne mein Handy. „Sie braucht Granit und Gneis“, erklärt sie weiter. „Beides saure Gesteine. Und Kalk holt sie sich über Pflanzen.“ Ich überlege kurz, ob ich ab jetzt auch meinen Mineralhaushalt aus Farnen decken sollte.

Später zeigt sie mir eine Raupe vom Tagpfauenauge, die gerade gemütlich über eine Brennessel kriecht, und einen Ameisenbau, auf dem es munter wimmelt.
„Die Ameisen bauen ihre Nester gern auf aktiven Störungszonen von Vulkanismus“, sagt Michaela. Ich starre auf den Hügel und frage mich, ob sie vielleicht auch Erdbeben spüren, bevor sie passieren. „Und die großen Bauten haben bis zu tausend Königinnen“, sagt sie noch.
Tausend Königinnen in einem Bau – ich denke kurz an die nächste Familienfeier.

Huch, ist hier denn schon Afrika?

Dann kommt der Teil, bei dem man sich winzig fühlt: Michaela erzählt, dass hier die ur-afrikanische und die ur-europäische Platte aufeinandertreffen, dass die Alpen geschoben und dieses Tal geformt haben – vor acht bis zehn Millionen Jahren. Mehr dazu gibt es später beim KTB, dem Kontinentalen Tiefbohrprogramm, einer wirklich seltsamen Sehenswürdigkeit. „Eigentlich“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln, „stehen wir hier noch auf Afrika.“
Ich schaue auf meine Wanderschuhe, die schon bessere Tage gesehen haben, und denke: Nicht schlecht. Eine Kontinentalverschiebung inbegriffen.

Je länger wir gehen, desto mehr verstehe ich: Michaela ist eine Übersetzerin zwischen Mensch und Landschaft. Sie liest den Boden wie andere Romane und spricht über Steine, als hätten sie Biografien.
Und ich, die Freundin von Welt mit Teekanne im Rucksack, stehe mittendrin und spüre, wie der Wald leise an meiner Großstadtschicht kratzt.

Rangerin Michaela Griener im Waldnaabtal
Rangerin mit Filzhut wandert im Waldnaabtal

Picknick an der Polier

Nach all dem Wandern, Steine-Staunen und Muschel-Mystik führt uns Michaela zur Polier, einem Ort, der klingt wie ein Gedicht und aussieht wie ein Naturparadies mit Servicegedanke.

Hier, am Abenteuerspielplatz direkt an der Waldnaab, gibt es nämlich eine Picknick-Abholstation – einen kleinen Holzschrank mit großem Versprechen: gutes Essen, fertig gepackt, regional, liebevoll.

Mit dem Zahlencode öffne ich das Vorhängeschloss am Fach, ziehe eine große Isolierbox heraus. Darin: ein klassischer Weidenkorb mit Lederbändern, wie gemacht für Reisefotos aus besseren Zeiten.

Käse, Aufstriche, Rohkost, Dips, Trauben, frisches Brot, Butter, ein paar knackige Radieschen – die Handwerksbäckerei Birler aus Windischeschenbach hat hier allerhand Leckeres zusammengestellt. Alles ordentlich und appetitlich verpackt.

Wir setzen uns an die Holztische mit Blick auf die Waldnaab. Das Wasser glitzert, irgendwo quietscht eine Schaukel, und auf der anderen Uferseite fliegt eine Libelle so zielstrebig, als hätte sie Termine.
Ich beiße in eine Butterbrezel und denke:
Das hier ist das Gegenteil von Eile.

Michaela erzählt, dass viele Wanderer hier ihre Körbe abholen – man bestellt einfach zwei Tage im Voraus, bezahlt per Vorkasse, bekommt den Code und kann dann direkt lospicknicken.
Ein bisschen Hightech, ein bisschen Heimat.
Und vor allem: kein Stress.
Wir essen, lachen, schweigen, hören dem Fluss zu.
Manchmal braucht es nicht mehr als Brot, Käse, Sonne und jemanden, der einem Geschichten über Ameisen erzählt.
Als wir am Ende alles wieder ordentlich in den Korb legen, fühlt es sich an, als hätten wir nicht nur gegessen, sondern ein kleines Ritual gefeiert.

Goldsteig, Etappe 3, Wanderer von hinten

Waldnaabtal-Museum – Abstellkammer der Geschichte

Zum Abschluss wartet noch ein bisschen Kultur auf mich: Die Burg Neuhaus, um 1300 von Landgraf Ulrich von Leuchtenberg als Jagdschloss erbaut, thront steil über dem Tal der Waldnaab. Heute gehört sie der Stadt Windischeschenbach und beherbergt das Waldnaabtal-Museum, liebevoll betreut vom Oberpfälzer Waldverein.

Kissen mit der Aufschrift Nur ein viertel Stündchen im Waldnaabtal-Museum

Innen reiht sich Fundstück an Fundstück – Fossilien, Werkzeuge, Glas, Geschichten. Ein bisschen wirkt es, als hätte die ganze Region hier ihr Gedächtnis abgegeben. Was übrigbleibt, landet irgendwann hier, sogar das Uhrwerk der alten Turmuhr, das man einst in einer Scheune wiedergefunden hat.
Das Museum ist eine famose Abstellkammer der Geschichte.
Ich steige noch auf den Butterfassturm. Von oben liegt das Waldnaabtal unter mir – grün, friedlich, zeitlos. Und ich denke: Schön, dass hier alles geblieben ist – Geschichte, Aussicht und dieser feine Oberpfälzer Eigensinn.

Dann ruft der Zoigl – aber das ist schon das nächste Abenteuer in der Oberpfalz.

Freundin von Welt auf dem Goldsteig von hinten

FAQ – Praktische Tipps & Wissenswertes zum Waldnaabtal

Wo liegt das Waldnaabtal im Oberpfälzer Wald?

Das Waldnaabtal liegt zwischen Falkenberg und Windischeschenbach in Bayern.
Das 180 Hektar große Naturschutzgebiet gehört zu den schönsten Landschaften im Naturpark Nördlicher Oberpfälzer Wald – mit Granitfelsen, Strudellöchern und glasklarem Wasser. Das Waldnaabtal wird auch liebevoll „Grand Canyon der Oberpfalz“ genannt.

Welche Wanderroute ist die schönste im Waldnaabtal?

Die 3. Etappe des Goldsteigs, die direkt durch das Waldnaabtal führt. Start: Falkenberg, Ziel: Neuhaus (bei Windischeschenbach), Länge: ca. 14 km
Schwierigkeitsgrad: leicht bis moderat
Highlights: Granitfelsen, Strudellöcher („Butterfass“), Flusslandschaften, Picknickplatz an der Polier, Burg Neuhaus mit Museum.

Wo kann ich übernachten?

Der Trekkingplatz Zeitelfleck liegt idyllisch am Waldrand, mitten im Frombachtal – ohne Strom, ohne Komfort, aber mit Sternenhimmel.
Er bietet Platz für bis zu fünf Zelte, hat eine Trockentoilette und Sitzgelegenheiten.
Feuer ist streng verboten (Waldbrandgefahr!).
Übernachten ist nur eine Nacht erlaubt.
Buchung: online über www.oberpfaelzerwald.de/trekking

Wo kann man im Waldnaabtal picknicken?

Der schönste Platz: An der Polier – mit Abenteuerspielplatz, Tischen und Bänken sowie einer Picknick-Abholstation.
Picknickkorb-Bestellung & Infos: www.steinwald-urlaub.de/picknick-service

Wann ist die beste Jahreszeit für das Waldnaabtal?

Eigentlich immer – jede Jahreszeit ist anders schön:
Frühling: klare Luft, junges Grün, Vogelgesang.
Sommer: Rascheln, Ruhe, ein Hauch Wildnis – perfekt für den Zeitelfleck.
Herbst: goldenes Licht, Nebel, Fotomagie.
Winter: still, glitzernd, fast meditativ – das Tal in Zeitlupe.

Wo finde ich mehr Informationen über das Waldnaabtal?

Offizielle Infos, Karten und Tipps gibt es hier:
www.oberpfaelzerwald.de
www.goldsteig-wandern.de
www.steinwald-urlaub.de

Mehr über die Oberpfalz liest Du im Beitrag:

Weiden in der Oberpfalz: ein Stadtbummel mit mediterranem Touch

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