Wuppertal, liebe Freundinnen von Welt, ist das ein Reiseziel?
Wolltet Ihr auch schon immer mal nach Wuppertal? Also ich: Ja! Ich wollte mit der Schwebebahn fahren. Das Tanztheater von Pina Bausch sehen. Und die Stadt, von der ich ja eigentlich gar keine Ahnung, keine genaue Vorstellung hatte.
So trafen in Wuppertal Wunsch auf Wirklichkeit – kommt Ihr mit?
Eure Kirsten, Freundin von Welt
Einmal im Leben durch Wuppertal schweben
Inhaltsverzeichnis
- Einmal im Leben durch Wuppertal schweben
- Wunsch: Ein Tanztheater-Stück von Pina Bausch sehen
- Wirklichkeit: „Viktor“ von Pina Bausch im Opernhaus Wuppertal – oh wow!
- Wunsch: Mit der Schwebebahn fahren.
- Wirklichkeit: Tolle Bahn! Bester Sitzplatz: ganz hinten am Panoramafenster
- Wunsch: Durch Wuppertals Altstadt schlendern.
- Wirklichkeit: Wuppertal, das sind zwei Städte
- Wunsch: Vegetarisches Mittagessen an einem schattigen Plätzchen.
- Wirklichkeit: Indisches Curry im Bernards
- Wunsch: In Industrieromantik schwelgen
- Wirklichkeit: Wuppertal war das Manchester Preußens – aber das Museum ist gerade geschlossen.
- Wunsch: Berühmten Töchtern und Söhnen der Stadt einen Besuch abstatten
- Wirklichkeit: Friedrich Engels und Else Lasker Schüler werden sehr verschieden gewürdigt
- Wuppertal – wo Wünsche wahr werden
- Neueste Blogbeiträge
Wunsch: Ein Tanztheater-Stück von Pina Bausch sehen
Tanztheater
„Viktor“ von Pina Bausch im Opernhaus Wuppertal
Opernhaus
Im Saal des Opernhauses Wuppertal
Wirklichkeit: „Viktor“ von Pina Bausch im Opernhaus Wuppertal – oh wow!
Wie bewegend! Wie beeindruckend! Wie emotional! Die eigenen Assoziationen werden beim Zuschauen entfesselt. Was da alles auf der Bühne passiert!
Auf dieser Bühne, die gestaltet ist wie ein Grab. Meterhohe rotbraune Felswände ragen bis fast an die Decke. Immer wieder wird Sand herabgeschaufelt, rieselt auf die Bühne. „Viktor“ wurde am 14. Mai 1986 im Opernhaus Wuppertal uraufgeführt und wirkt völlig zeitlos. Pina Bausch, die 2009 verstorbene Choreografin und Tänzerin veränderte die Kunstform Ballett ab 1973 durch ihre neuartigen Inszenierungen. Anfangs heftig umstritten, später von Kritik und Publikum euphorisch gefeiert. Sie galt in der Fachwelt als die bedeutendste Choreografin ihrer Zeit und wurde zu einer Kultfigur der internationalen Tanzszene.
Ein paar von den Szenen im Stück: Eine Frau und ein Mann liegen leblos auf der Bühne, ein zweiter Mann steht vor ihnen und fragt wie ein Pfarrer bei einer Hochzeit nach dem Ja-Wort, die Bewegungen dazu, das Kopfnicken, besorgt der Mann. Er spielt wie mit Puppen. Und auch das Küssen erledigt der Mann: Er dreht die beiden Liegenden auf die Seite und führt die Köpfe zum Küssen zusammen.
Eine Tänzerin umhüllt ihre Zehen mit dünnen Kalbfleischscheiben, schlüpft dann in Spitzenschuhe und tanzt.
Pina Bausch wünscht sich im Programmheft: „ICH HÄTT‘ GERN, WENN DIE MÄDCHEN EINMAL FLIEGEN WÜRDEN“. Ganz am Ende in Viktor lässt sie ihre Tänzerinnen fliegen. An Ringen, wie beim Ringeturnen, schaukeln sie in prächtigen Kleidern hoch und höher. Drei Stunden und 20 Minuten dauert die Aufführung – und mir kam das richtig kurz vor.
Die nächsten Termine: Opernhaus Wuppertal zeigt „Viktor“ von Pina Bausch wieder im Oktober 2024
Wunsch: Mit der Schwebebahn fahren.
Haltestelle
Das coole Schwebebahn-Zeichen
Trasse
Die Schwebebahn folgt dem Verlauf der Wupper
Wirklichkeit: Tolle Bahn! Bester Sitzplatz: ganz hinten am Panoramafenster
Einmal im Leben durch Wuppertal schweben, wirbt die Aufschrift an einem Kiosk. Dort könnte ich einen Fahrschein kaufen, doch da ist nicht nötig, denn ich habe das Deutschlandticket. Wer eine Fahrkarte kauft, sollte diese auch am Automaten auf dem Bahnsteig entwerten. Die Touristin aus Texas mir gegenüber wusste das nicht und wurde wieder rausgeschickt.
Seit dem 1. März 1901 ist die Schwebebahn eines der öffentlichen Hauptverkehrsmittel der Stadt. Bis heute gilt die Schwebebahn samt ihren Schienen auf spinnenbeinigen Stelzen als Meisterwerk der Ingenieurskunst.
Etwa 13 Kilometer führt die Linie durch Elberfeld und Barmen, die beiden Teile Wuppertals. Ungefähr 30 Minuten dauert die Fahrt von Endhaltestelle zu Endhaltestelle.
Ratternd und quietschend kommt das Züglein angefahren, zwei blaue Wagen, eine auf den Kopf gestellte Bimmelbahn. Ich ergattere einen der besten Plätze, ganz hinten am Panoramafenster.
Dem Elefanten Tuffi hat die Fahrt mit der Schwebebahn nicht so gut gefallen wie mir. Als Marketing-Gag sollte die Elefantendame am 21. Juli 1950 in Wuppertals Wahrzeichen mitfahren. Wie schwer Tuffi zu diesem Zeitpunkt ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren: Manche Quellen sprechen von 200, andere von bis zu 700 Kilogramm. Werbeauftritte, auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, ist Tuffi gewohnt. Im Ruhrgebiet fuhr sie Straßenbahn, in Duisburg schipperte sie bei einer Hafenrundfahrt übers Wasser.
Die Treppen zur Schwebebahnstation Alter Markt in Wuppertal-Barmen bewältigt Tuffi problemlos. Wagen Nummer 13 fährt ein, dort ist ein Abteil reserviert. Doch dann wird es hektisch: Erst passt die Elefantendame nur knapp durch die schmale Tür der Schwebebahn, dann drängeln sich deutlich mehr Fotografen und Schaulustige in den Wagen, als abgesprochen war. Niemand will das Spektakel verpassen, wenn zum ersten Mal ein Elefant über der Wupper schwebt. Tuffi wird das zu viel: Sie bricht durch Fenster und Außenwand der Bahn und stürzt rund zehn Meter tief in die Wupper. Zum Glück bleibt Tuffi dabei bis auf einen kleinen Kratzer unbeschadet. Die Fotografen sind so perplex, dass keiner von ihnen auf den Auslöser drückt. Ein Foto vom Sprung gibt es deshalb nicht.
Mehr über die Schwebebahn: schwebebahn.de
Wunsch: Durch Wuppertals Altstadt schlendern.
Hanglage
Auf und ab und Stilmix in den Straßen
Treppen
Die Stufen des Tippen-Tappen-Tönchens
Wirklichkeit: Wuppertal, das sind zwei Städte
Wuppertal ist ein Konstrukt aus zwei Städten, Barmen und Elberfeld, die 1929 zusammengelegt wurden. Deshalb gibt es – historisch – zwei Stadtzentren. Als DIE „Wuppertaler Altstadt“ gilt der Bereich rund um die Luisenstraße in Wuppertal-Elberfeld, auch Luisenviertel genannt. Sie liegt am Nordrand der Talsohle der Wupper – hinter der Straße geht es steil bergauf, über Treppen wie das „Tippen-Tappen-Tönchen“. Wer hier spazieren geht, sollte also etwas Kondition mitbringen.
Tippen-Tappen-Tönchen
Die Treppe zum Ölberg
Blickrichtung
Wer das Tippen-Tappen-Tönchen hinabsteigt, sieht auf ein Hochhaus
Das „Tippen-Tappen-Tönchen“ verbindet das Luisenviertel mit dem Ölberg. Ihren Namen hat sie vom Geräusch der Holzschuhe, mit denen Bewohner des Ölbergs früher über die Treppe zur Arbeit gelaufen sind. Der Stadtteil Ölberg heißt seit den 1920er Jahren so. Damals war der Bereich noch nicht an das Stromnetz angeschlossen und die Bewohner waren auf Öllampen angewiesen. Der Ölberg ist eines der größten zusammenhängenden Denkmalgebiete in ganz Deutschland, die verzierten Häuser stammen größtenteils aus der Gründerzeit der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Streetart
in der Luisenstraße
Kultkneipe
Das Café du Congo, morgens noch geschlossen
Schmale Gassen, Altbauhäuser im bergischen Stil, hippe Cafés, eine abwechslungsreiche Restaurantszene, kultige Kneipen, besondere Boutiquen und kleine Shops für dies und das liegen im Luisenviertel hier dicht an dicht. Nur machen sie leider alle recht spät auf (und ich bin schon um 10 Uhr mit dem Zug angekommen und unterwegs). Auch das nostalgische Café du Congo, in dem schon Pina Bausch mit ihrer Tanzkompanie feucht-fröhliche Abende verbracht haben soll, ist noch geschlossen.
Wunsch: Vegetarisches Mittagessen an einem schattigen Plätzchen.
Bernard
Charmantes Restaurant in der Luisenstraße
Soulfood
Vegetarisches Curry im Bernard
Wirklichkeit: Indisches Curry im Bernards
„Wollt Ihr Gemüse oder Fleisch?“, werden wir gefragt, als wir auf der Terrasse von Bernard – Soulfood & Drinks Platz nehmen. „Habe nämlich nur zwei Gerichte gekocht. Beides Currys.“ Gemüse ist prima, das Curry schmeckt sehr gut, mit ein bisschen scharfer Sauce extra. Der Chef ist charmant und ganz allein für alles zuständig, die Einrichtungsideen kommen von seiner Tochter, Rosa- und Pfirsichtöne überwiegen.
Bernard – Soulfood & Drinks, Luisenstraße 72, 42103 Wuppertal
Wunsch: In Industrieromantik schwelgen
Fabrikhallen
Entlang der Wupper stehen zahlreiche Industriegebäude
Textil
Inferno in Barmen verspricht „brandheiße Preise“
Wirklichkeit: Wuppertal war das Manchester Preußens – aber das Museum ist gerade geschlossen.
In Wuppertal begann die Industrialisierung. Textilien wurden hier schon seit 1450 hergestellt, doch im frühen 19. Jahrhundert die ersten mechanischen Spinnmaschinen im Tal der Wupper. In der Blütezeit gab es mehr als 250 Spinnereien, Webereien, Färbereien und Veredelungsbetriebe für Textilien. Die Stadt wuchs rasant – ein deutsches Manchester. Die Region Wuppertal war Mitte des 19. Jahrhunderts eines der größten Wirtschaftszentren des europäischen Kontinents und eine der ersten Industrieregionen Deutschlands. Der Textilindustrie folgten weitere: Das Chemie– und Pharmaunternehmen Bayer wurde am 1. August 1863 im Barmen gegründet, auch Vorwerk (Thermomix!) begann seine Geschichte hier.
Über das alles wollte ich mehr erfahren – im Museum für Frühindustrialisierung. Das „zeigt als industrie- und sozialgeschichtliches Museum die frühe Entwicklung der Industrie im Wuppertal mit ihren technik-, sozial-, wirtschafts- und mentalitätsgeschichtlichen Facetten. 1983 gegründet, war es eines der ersten sozialhistorischen Museen, das sich mit der Geschichte der Industrialisierung auseinandersetzte. Der Museumsbesucher lernt das Wuppertal als frühe industrielle Pionierregion in Deutschland und Europa kennen, als ein Labor der Moderne.“ So verspricht es der Text auf der Website des Museums. Leider steht da auch das: „Das Museum für Frühindustrialisierung ist auf Grund von Sanierungsarbeiten und der Einrichtung einer neuen Dauerausstellung bis Mitte 2025 geschlossen.“ Dann muss ich wohl noch mal wiederkommen.
Museum für Frühindustrialisierung
Wunsch: Berühmten Töchtern und Söhnen der Stadt einen Besuch abstatten
Engels-Denkmal
Großer Sohn der Stadt Wuppertal
Zu Füßen Friedrich Engels
Die Inschrift des Sockels: auch auf Chinesisch
Wirklichkeit: Friedrich Engels und Else Lasker Schüler werden sehr verschieden gewürdigt
Pina Bausch habe ich ja schon erwähnt – sie ist allerdings in Solingen geboren.
Friedrich Engels (1820-1895) dagegen entstammt einer alteingesessenen Familie. Das Engels-Haus – das übrigens nicht das Geburtshaus von Friedrich Engels, sondern das Wohnhaus seines Großvaters war – zeigt nicht nur Leben und Werk des Fabrikantensohns aus Barmen, sondern auch den wirtschaftlichen Erfolg der Familie als Textilunternehmer in der Frühindustrialisierung und deren bürgerliche Wohnkultur um 1830.
Die Dauerausstellung stellt Friedrich Engels als einen echten Allrounder vor: Philosoph, Gesellschaftskritiker, Historiker, Journalist, kommunistischer Revolutionär, Militärexperte, Weltbürger, nebenbei noch ein Sprachgenie, sportlich, kommunikativ und trinkfest, aber stets Gentleman und im Grunde ein Workaholic, für Karl Marx „ein wahres Universallexikon“.
Im Park davor ein großes-Engels-Denkmal, die Inschrift zu Füßen der Statue auch auf Chinesisch, das ist die interessierteste Touristenzielgruppe zum Thema.
Else Lasker-Schüler
Portrait auf dem Denkmal
Engels-Stein
erinnert an sein Geburtshaus
Else Lasker-Schüler schreibt über Elberfeld, die Stadt ihrer Kindheit: … eine seltsame Stadt, schwarz vor Romantik und Geschehnissen und Umhertreibern aller Art.“ Und: „Ich bin verliebt in meine zahnbröckelnde Stadt, wo brüchige Treppen so hoch aufsteigen…“
Die Schwebebahn beschreibt sie auch: „Immer fliegt mit Tausendgetöse das Bahnschiff durch die Lüfte über das Wasser auf schweren Ringfüßen durch Elberfeld weiter über Barmen…“
1869 wurde die Dichterin in Elberfeld geboren. Sie galt als Wunderkind der Familie, konnte sie doch bereits mit vier Jahren lesen und schreiben. 1894 zog sie nach Berlin um, emigrierte 1933 nach Zürich und lebte ab 1938 bis zu ihrem Tod 1945 in Jerusalem.
In Wuppertal tat man sich lange schwer mit der sozialkritischen Avantgardistin. Ihr Theaterstück „Die Wupper“, das sie ihrer Heimatstadt widmete und in dem lokaler Dialekt gesprochen wird, handelt vom Elend der Industriearbeiter. Sie nannte ihr Stück eine „böse Arbeitermär“.
Das Denkmal für Else Lasker-Schüler, das zu ihrem 120. Geburtstag eingeweiht wurde, befindet sich nur wenige Meter vom ehemaligen Geburtshaus entfernt. Zwei graue Basalt-Stelen, wo auf den Innenseiten Else Lasker-Schüler sich gegenseitig anguckt, nach einem Foto aus den 20er Jahren. Jeweils etwa 2800 Mosaiksteine bilden das Gesicht der Künstlerin. Unten steht auf der Platte: Else Lasker-Schüler – Meinwärts.
Elefant Tuffi
entdeckt in Barmens Fußgängerzone
Tanztheater-Besuch
Selfie vorm Opernhaus mit „Viktor“-Plakat
Wuppertal – wo Wünsche wahr werden
Wie war Wuppertal nun wirklich? Ein Erfolg. Schwebebahn fahren könnte ich tagelang und Tanztheater von Pina Bausch auch gerne wieder sehen. Kann ich nur empfehlen. Aber wie das bei allem so ist im Leben: Man muss sich halt aufraffen und hinfahren. Und dann genießen. Dafür reichen zwei Tage. Und schon hat man wieder was gesehen, was erlebt. Und kann auf die erstaunte Frage von Bekannten – „Wie, Du warst in Wuppertal?“ antworten: „Ja. Das solltest Du auch mal ausprobieren.“
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