Begegnungen auf dem Nordseeküstenradweg: Teestunde mit Gisela in Neuharlingersiel

Teestunde mit Gisela

Liebe Freundinnen von Welt,

auf meiner eBike-Tour auf dem Nordseeküstenradweg hatte ich das große Vergnügen einer Teestunde mit Gisela. Da machte es gar nichts, dass es draußen in Neuharlingersiel regnete. Wenn Gisela lacht, leuchtet der ganze Sielhof. Und man muss einfach mitlachen. Gisela empfängt regelmäßig Gäste zum Tee – wenn Ihr mal nach Neuharlingersiel kommt: Lasst Euch das nicht entgehen!

Eure Kirsten, Freundin von Welt

Der Sielhof in Neuharlingersiel
Der Sielhof in Neuharlingersiel

Krabben pulen und Grünkohl kochen: Gisela erzählt von früher

Wir sitzen im ehemaligen Esszimmer des Sielhofes, Portraits der Familie hängen noch an der Wand. Nun kann man hier heiraten. Besondere Orte zum Heiraten gibt es in Ostfriesland viele. Leuchtturm, Kutter, auf den Inseln. Gisela sagt: „Ist ja auch schön, aber ob es dann länger hält, weiß man nicht.“

Gisela empfängt hier regelmäßig Touristen zum Tee. Was erzählt sie denen so?

„Die Gäste reden am liebsten über früher. Die wollen wissen, wie wir so gelebt haben. Und ob ich wirklich von hier komme. Ja, komme ich. Meine Eltern waren auch schon Einheimische. Mein Vater war Krabbenfischer. Früher wurden in jedem Haus Krabben gepult.“ („Geschält“ sagt Gisela für die süddeutschen Gäste.)

„Die Leute wollen auch mal gerne Plattdeutsch hören.“

„Sie fragen mich: Kochen Sie selbst auch Grünkohl? Ja!“

„Was wir früher gemacht haben, im Winter, das interessiert die Leute.“

Gisela lacht, sie freut und wundert sich zugleich über das Interesse der Gäste. Die Freude überwiegt.

Die Gäste sind auch jünger, also manche unter 40. Bis 40 ist „jünger“, danach nicht mehr. Gisela ist 68.

Teekanne auf Stövchen, Dekor "Ostfriesische Rose"

Ostfriesen ohne Tee-Service sind keine Ostfriesen

Gruppen können Gisela für Tee-Nachmittage buchen, manche waren sogar schon bei ihr zuhause, „das finden die toll, ich wohne in einem denkmalgeschützten Haus.“

„Und ein Teeservice habe ich auch zuhause.“Gibt es Ostfriesen ohne Teeservice? „Nee, das sind dann keine Ostfriesen!“ Gisela lacht.

So, nun trinken wir mal Tee!

„Teetrinken, das ist Gemütlichkeit. Das ist nicht wie Kaffee.“

Gisela

Das dauert eine halbe Stunde, denn drei Tassen muss man schon trinken.

Wann trinkt Gisela ihren Tee?

„Morgens um 6. Dann um neun, halb zehn. Dann um halb drei. Dann zum Abendbrot. Und die ganz alten Ostfriesen trinken kurz vorm Zubettgehen noch mal Tee.“

„Im Winter wurde nachmittags richtig gemütlich Tee getrunken, im Sommer hatten wir keine Zeit dazu. Wenn ich von der Arbeit komme, mache ich mir nachmittags einen Tee, da lasse ich mir alles noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen.“

„Beim Tee kann man reden. Auch mit Kindern.“

„Ja, denn erzähl mal eben“, sagt Gisela, und wenn man ein Kind wäre, würde man ihr sofort alles erzählen, Geheimnisse und kleine und große Sorgen. Das hat Gisela auch erlebt, früher: „Du wusstest, Oma hört zu.“

In Neuharlingersiel trinken nach Giselas Einschätzung 90 Prozent Thiele Tee.

Wie sieht das aus mit Teebeuteln?

„Das geht gar nicht! Im Beutel ist nur Staub, das kann gar nichts werden!“

Manchmal öffnet Gisela mit ihren Gästen einen Teebeutel und vergleicht den Inhalt mit ihrem losen Tee: Man sieht dann: Nur Staub!

Gisela hat eine Verwandte im Ruhrgebiet, die sagt: Bei mir schmeckt der Tee nicht!  Kein Wunder: Das Wasser! Giselas Tipp: „Da musst du beim nächsten Mal einen Kanister von hier mitnehmen.“

Morgens um 6 in Neuharlingersiel

Was hat sich in Neuharlingersiel durch den Tourismus verändert?

„Ich liebe Neuharlingersiel morgens um 6 Uhr. Dann ist es so ruhig wie es früher einmal war. Wir brauchen die Gäste. Aber es ist vieles verloren gegangen. Das Dorfmiteinander ist schwieriger geworden. Früher saßen die Frauen gemeinsam auf der Straße, haben Krabben gepult, Strümpfe gestopft. Man besprach, welches Kind was zu Weihnachten bekommen sollte. Wenn einer ein Fahrrad bekam, musste der andere auch eins bekommen, damit es keinen Ärger gibt. Dann wurde im Quelle-Katalog geblättert und geguckt, was das kostet. Ui, 50 Mark! Dann mussten noch schnell ein paar mehr Eimer Krabben gepult werden.“

Gisela veranstaltet Treffen, bei denen sie alte Fotos zeigt, zu denen dann wieder alte Geschichten erzählt werden. Aber irgendwann müssen auch neue Geschichten erlebt werden. Im Ort leben höchstens 600 Einwohner, im Sommer sind 10.000 Menschen da – da passt was nicht.

Gisela hat ein eigenes Reinigungsunternehmen, aber es ist schwer, Personal zu finden, dabei zahle sie gut, sagt sie. Die Teestunden mit den Gästen sind für sie keine Arbeit, denn die Gäste sind interessant.

Und die Themen ergeben sich. Neulich, in einer Frauenrunde, hätten sie über Rezepte geredet. „Kennst Du Sauerkraut mit Ananas?“, fragte die eine. „Nee, das gibt es bei mir nicht“, antwortete die nächste. Und schon ging es rund und die Stunde war schnell um. Früher wurde viel eingekocht, im Winter gab es Kohl, Eingemachtes und Bohnen in allen Variationen. Gisela mag gerne Fisch und „Mamas Kartoffelsalat“. Wenn sie essen geht, würde sie aber nie Fisch bestellen. Warum nicht? „Ich habe mal in der Gastronomie gearbeitet …!“

Termine für die Teestunde mit Gisela in Neuharlingersiel findet Ihr auf neuharlingersiel.de

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Eine Antwort zu „Begegnungen auf dem Nordseeküstenradweg: Teestunde mit Gisela in Neuharlingersiel“

  1. […] Der Nordseeküstenradweg in Niedersachsen: Ein Kontrastprogramm aus Staunen über die herbe Natur und Begegnungen mit herzlichen Menschen. Mal vor, mal hinter dem Deich bin ich geradelt – etwa 300 Kilometer von Emden bis Cuxhaven. Von West nach Ost, um den Wind möglichst im Rücken zu haben. Und bin tollen Menschen begegnet: Ubbo, dem romantischen Krabbenfischer in Greetsiel und Gisela, der Ur-Ostfriesin, in Neuharlingersiel. […]

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