Nordseeküstenradweg: Das Meer und ich – mit dem E-Bike von Emden bis Cuxhaven

Leuchtturm Obereversand an der Wurster Nordseekueste mit dunklen Gewitterwolken

Liebe Freundinnen von Welt,

eine Radtour auf dem Nordseeküstenradweg in Niedersachsen ist ein Kontrastprogramm aus Staunen über die herbe Natur und Begegnungen mit herzlichen Menschen. Mal vor, mal hinter dem Deich – etwa 300 Kilometer von Emden bis Cuxhaven. Von West nach Ost, um den Wind möglichst im Rücken zu haben. Der Plan ging nicht ganz auf, deshalb war ich sehr froh über das E-Bike. Kann ich nur empfehlen, damit radelt es sich mühelos. Unterwegs halte ich an, um einen Leuchtturm zu besichtigen, Ostfriesentee korrekt zu trinken (das ist eine faszinierend komplizierte Zeremonie), im Watt zu wandern und natürlich immer wieder, um zu schnacken. Ich treffe einen Krabbenfischer, einen Kapitänleutnant, eine Künstlerin, den Erfinder der Krabbenpulmaschine, eine Melkhus-Betreiberin, die Ur-Neuharlingersielerin Gisela und viele andere mehr.
Kommt Ihr mit?

Eure Kirsten, Freundin von Welt

Route & Rad

Die Route ist einfach, zu meiner Linken sollte immer das Meer liegen, sonst habe ich mich verfahren. Der gesamte Nordseeküstenradweg ist 6000 Kilometer lang, auf 900 Kilometern schlängelt er sich durch Norddeutschland. Ich habe mir einen Teil in Niedersachsen vorgenommen, von Emden bis Cuxhaven, etwa 300 Kilometer der Küste entlang. Von West nach Ost, um den Wind möglichst im Rücken zu haben. Obwohl das bei dem E-Bike – dem Bergamont SUV Country – keine Rolle spielt. Jedenfalls, was das Vorankommen betrifft, denn das Rad hat ja sozusagen eingebauten Rückenwind.

Karte Nordseekuestenradweg Niedersachsen Emden bis Cuxhaven

Warum ist eine Tour auf dem Nordseeküstenradweg etwas für Frauen ab 50? Das meint die Freundin von Welt:

  • Freiheit. Weite. Klarheit. So viel Platz für mich. Und dann dieser Himmel!
  • Der Weg führt meist geradeaus, ich kann mich auf meine Gedanken konzentrieren anstatt aufs Routing.
  • Der Wind pustet den Kopf frei. Und wenn er mal von vorn kommt: Mit dem E-Bike ist das kein Problem.
  • Alleine reisen, zu zweit oder mit mehreren Freundinnen – geht alles, der Nordseeküstenradweg ist breit genug, um nebeneinander zu fahren.
  • Thalasso! Das bedeutet so viel wie „Heilkraft des Meeres“. An der Nordseeküste ist also schon Atmen pures Thalasso. Wer mehr möchte, lässt sich in Neuharlingersiel mit Schlick einstreichen – Wellnessglück!
  • Der Natur ganz nah. Die Route führt direkt am UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer entlang – ein faszinierender Lebensraum (auf den zweiten Blick).
  • Genussmomente! Krabben frisch vom Kutter, Ostfriesentee bei jeder Gelegenheit (und wer es richtig macht, kann damit sogar die Zeit anhalten). Hier ist es lecker!
  • Spontan losfahren? Kein Problem – wenn nicht gerade Ferienzeit ist. Dann besser in den Hotels vorbuchen. Tolle Unterkünfte findet Ihr in den Tipps unter den Etappen.

Anreise zum Nordseeküstenradweg mit der Bahn

Das Schwierigste am Anfang: Die Bahnanreise von Hamburg nach Emden, wo ich mit meiner Tour auf dem Nordseeküstenradweg starten möchte. Das Rad ist schwer, es wiegt allein schon 27 Kilogramm. Habe schmal gepackt, fast hätte ich meine Isolier-Teekanne nicht mitgenommen. Dann aber doch – wie könnte ich ohne sie reisen?
Im Metronom bin ich dann fast allein, mein Rad und ich haben genug Platz. Und am Bahnhof in Bremen, wo ich umsteige, funktionieren die Aufzüge einwandfrei. Auch das Aussteigen in Emden ist kein Problem. Die Rückfahrt von Cuxhaven bis Hamburg ebenfalls unproblematisch.

Meine Etappen auf dem Nordseeküstenradweg – von Emden bis Cuxhaven

Nordseeküstenradweg, Tag 1: Von Emden nach Greetsiel, ca. 50 km

Engelchen und Ottifanten: Emden

In Emden führt das Wasser bis in die Innenstadt, zum Delft, dem alten Hafen. Hier schnuppere ich maritime Geschichte. Um 1570 war Emden der wichtigste Umschlagplatz an der Nordsee. Damals waren in der Seehafenstadt mehr Schiffe beheimatet als die gesamte Flotte Englands umfasste.

Im 2. Weltkrieg wurde Emden zu 80 Prozent zerstört. Erhalten blieb der alte Wallring, 10 Meter hohe Aufschüttungen plus Wassergraben um die Stadt, heute ein Park, ein Grünzug, der sich sanft um die Stadt windet.

Auf die kulturelle Landkarte kam Emden erst 1986, als Henri Nannen die Kunsthalle gründete, erzählt Gästeführerin Lotte Botterbrodt. „Kunst kommt doch nur bis Oldenburg, was sollen wir denn damit?“ fragten die Emder. Mittlerweile ist die Kunsthalle ein kultureller Magnet. Schön am Wasser gelegen (Emden wird von Kanälen durchzogen, man kann sogar „Grachtenfahrten“ unternehmen), mit Café und großer Terrasse und eigenem Bootsanleger.

Ich schiebe mein Rad durch die Stadt, über den Markt. Vorbei an viel rotem Backstein. Gut erhalten sind die beiden Pelzerhäuser, typische Renaissancebauten aus dem 16. Jahrhundert mit ihren beeindruckenden Fassaden und schmucken Giebeln. Hier wurden Pelze gehandelt, Felle jeder Art.

Überall an den Laternenpfählen begegnet mir das „Engelke up de Mür“, das Engelchen auf der Mauer: Das Stadtwappen wurde 1495 zusammen mit den Stadtrechten vom Kaiser in Wien verliehen.

Warum stehen die Kirchtürme in Ostfriesland entfernt von den Kirchen?

Die „gute Stube“ Emdens ist die Johann A. Lasca Bibliothek. Eine ehemalige Kirche, im Krieg zerstört, in den 90er Jahren wieder aufgebaut, jetzt Bibliothek. Drinnen hält gerade der Bürgermeister eine Trauung ab, er hat sich als Standesbeamter ausbilden lassen, weil er das so gerne mag. Übrigens: In Ostfriesland stehen die Türme weiter weg von den Kirchen, wegen des weichen Bodens. Die schweren Bauten sacken einfach zur Seite weg.

Aus dem Haus an der Ecke bricht ein Elefant, Ja, wirklich, aus der roten Backsteinfassade grinst ein Ottifant, vermutlich der meistfotografierte Elefant Ostfrieslands. Im Haus, dem „Otto Huus“, dreht sich alles um Leben und Werk von Otto Waalkes, Emdens berühmtesten Sohn. Unten ein Shop, in der ersten Etage Devotionalien, im 2. Stock ein Kino, in dem nur Otto-Filme laufen. Vor der Tür regelt eine Ottifanten-Ampel den Einlass, damit das kleine, enge Häuschen nicht zu voll wird. Auch die offizielle Ampel an der Straße ist Otto gewidmet: Sie zeigt ein grünes Männchen in der berühmten Hüpfpose des Komikers.

Jetzt aber endlich aufs Rad und los! Es ist ein wenig kompliziert, aus Emden herauszufinden, aber vielleicht nur, weil ich die Routing-App nicht beherrsche. Dann folge ich den Schildern und es läuft. Nordseeküstenradweg, gefunden! Ich sause durch Warftendörfer bis zum Schöpf- und Sperrwerk Knock. Und endlich auch am Deich entlang.

Vorbei an Feldern, auf denen unzählige Nonnengänse weiden. Ob die wohl wegfliegen, wenn ich näherkomme? Nein. Ein Fischreiher landet neben mir, Kiebitze wippen mit ihren Hauben. Eine reiche Vogelwelt überall.

Der Campener Leuchtturm, der höchste Leuchtturm Deutschlands, ähnelt mit seinem Stahlfachwerk dem Eiffelturm. Ein Hauch von Paris am Nordseeküstenradweg in Niedersachsen.

Wo Männer weinen: Der Pilsumer Leuchtturm

Im rot-gelben Ringelsockenlook leuchtet mir sein kleiner Kollege entgegen: der Pilsumer Leuchtturm. Der mit nur 11 Metern kleinste Leuchtturm Ostfrieslands, bekannt aus dem Film „Otto, der Außerfriesische“, macht gute Laune. Dort wartet Gästeführerin Doris Voss auf mich, schon etwas durchgefroren vom Wind. Sie ist auch Koordinatorin der Gästeführergilde und Festrednerin.

Im Turm kann man nämlich auch heiraten. Frau Voss nimmt hier nach Wunsch das 2. Eheversprechen ab. „Das kann man sich jederzeit geben, zu allen Gelegenheiten. Oft zu einem Jubiläum, aber auch nach schwerer Krankheit, einem überstandenen Schicksalsschlag. Man verspricht sich noch einmal, dass man zusammenbleiben möchte. Das ist so schön!“ Ihre Augen leuchten, wenn sie davon erzählt.

Der Leuchtturm war nicht immer rot-gelb-geringelt, das sind keine nautischen Farben. Die Firma Cordes & Graefe Baddesign hat den Anstrich 1979 gesponsort und damit den Turm vom Abriss bewahrt. „Deichbau wird hier seit 1300 Jahren betrieben, wir leben im Goldenen Ring“, sagt Doris Voss, damit meint sie den Deichgürtel. Die Sollhöhe des Deiches ist 10 Meter, die Breite 124 Meter. Vom Turm reicht der Blick über Salzwiesen bis in die Niederlande.
Kann es sein, dass der Turm schwankt?

„Bei einer Feier im Turm kam es schon mal vor, dass ein Mann seekrank wurde. Da mussten wir runter, unten weitermachen,“ erzählt Doris Voss. Nach der Zeremonie dürfen die Gäste oben aus dem Fenster Seifenblasen pusten und ihre Wünsche aufs Meer hinausschicken.“ Das scheint nicht jeder abzukönnen. „Ich sehe viele Männer hier weinen. Überhaupt weinen hier mehr Männer als Frauen. Das sind aber keine Ostfriesen.“

Noch ein paar Kilometer auf dem Nordseeküstenradweg, dann komme ich in Greetsiel an, einer hübschen kleinen Stadt mit putzigen Fassaden. Im Hafen liegen die Krabbenkutter, ein pittoreskes Mosaik aus Netzen hängt von ihren Masten. Im Abendlicht sieht es aus, als würden die Schiffe schlafen und hätten sich nur nachlässig zugedeckt.

Tipps am Nordseeküstenradweg:

Otto-Huus in Emden

Museum, Shop, Ferienwohnung: Das kleine Otto-Huus ist drei-in-eins – und rundherum eine Hommage an den Komiker Otto Waalkes.
datottohuus.de

Pilsumer Leuchtturm

Nur 11 Meter hoch, rot-gelb geringelt wie eine Socke und bekannt aus dem Film „Otto – Der Außerfriesische“. Im Trauzimmer können sich Paare das Ja-Wort geben.
greetsiel.de

Übernachtungstipp in Greetsiel: Witthus

Zum Hotel gehören mehrere alte und neue Häuser. Meine Suite ist schön, geräumig, sehr komfortabel. Zum Abendessen im Hotelrestaurant bestelle ich „Wellen und Wogen“, so sind die Matjesstücke und Krabbenhäufchen auch angerichtet. Dazu Bratkartoffeln und die Welt ist in Ordnung.
witthus.de

Nordseeküstenradweg, Tag 2: Von Greetsiel nach Norden, ca. 25 km

Klönschnack mit dem Krabbenfischer

Im Hafen treffe ich Ubbo Looden, 57 Jahre, Krabbenfischer, der jetzt Gästefahrten anbietet. Er zeigt mir sein Boot, die Nordstern, einen alten Holzkutter, den „so niemand heute mehr bauen würde“, wie er sagt. Er liebt das Knarzen des Holzes, nachts auf See. Sein goldener Ohrring funkelt in der Sonne. Vieles hat sich verändert, Krabbenfischen ist nicht mehr rentabel. Und die Natur? Die Nordweststürme, die fehlen.

Jetzt ein Snack: Ein Krabbenbrötchen bei de Beer. Mit heimisch gepulten Krabben kostet das 8 Euro. Für ein Brötchen!

Ich winke den Greetsieler Zwillingsmühlen – von denen nur eine gerade ihre Flügel trägt, die Blätter der anderen werden gewartet, und mache mich auf den Weg nach Norden (die Stadt). Dabei kürze ich die offizielle Tour ab, radele am Wasser entlang und nicht die Schleife über Marienhafe.

Die älteste Stadt Ostfrieslands: Norden

Norden ist die älteste Stadt Ostfrieslands, hat 15.000 Gästebetten. Mir begegnet eine Boßeltruppe.
Der Marktplatz in Norden ist der größte baumbestandene Marktplatz Europas, die dort angrenzenden „Dree Süsters“ (drei Schwestern) sind hübsche Backsteinhäuser im Stil der Renaissance. Eine der Schwestern musste 1963 einem Parkplatz weichen, wurde aber 1991 rekonstruiert.

Das größte Problem des Seehunds ist seine Niedlichkeit – und wie der Mensch darauf reagiert.

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50 shades of grey: Das Watt hat viele Gesichter

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Legendärer Rhabarberkuchen: Kurhaus Dangast

Offenlegung: Meine Recherchereise auf dem niedersächsischen Teil des Nordseeküstenradwegs wurde vom Tourismusnetzwerk Niedersachsen unterstützt. Der Text „Immer am Deich entlang“ dazu erschien im ADAC Reisemagazin Nr. 189. Geradelt bin ich im Frühjahr 2022, das Rad hat Bergamont mir geliehen. Danke an alle, die für mich organisiert und mich unterwegs so herzlich aufgenommen haben!
Mehr Informationen auf reiseland-niedersachsen.de

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4 Antworten zu „Nordseeküstenradweg: Das Meer und ich – mit dem E-Bike von Emden bis Cuxhaven“

  1. […] meiner Tour auf dem Nordseeküstenradweg von Emden nach Cuxhaven sind ganz wunderbare Menschen begegnet. Ein paar dieser Begegnungen […]

  2. […] meiner eBike-Tour auf dem Nordseeküstenradweg hatte ich das große Vergnügen einer Teestunde mit Gisela. Da machte es gar nichts, dass es […]

  3. […] Nordseeküstenradweg in Niedersachsen: Ein Kontrastprogramm aus Staunen über die herbe Natur und Begegnungen mit herzlichen Menschen. […]

  4. […] muss auf die meisten Reisen mit. Ich habe direkte Vorfahren von der niedersächsischen Nordseeküste, bin quasi mit Ostfriesentee und dem dazugehörigen Ritual aufgewachsen. Ich liebe Tee! Aber ich […]

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