In Irland mit dem Hausboot unterwegs sein, liebe Freundinnen von Welt,
das kann ich Euch nur empfehlen. Denn Irland ist mehr als nur Küste. Klar, die rauen Klippen, das tosende Meer – alles spektakulär. Aber die Mitte der Insel? Ein Geheimtipp. „Ireland’s Hidden Heartland“ (oder auf deutsch „Irlands herzliche Mitte“) nennen es die Iren selbst, und durch diese Mitte zieht sich der Fluss Shannon wie eine entspannte Ader. Wer Irland mal anders erleben will – langsamer, genussvoller, von der Wasserseite aus –, sollte auf ein Hausboot steigen. Am besten mit Freundinnen.
Klingt unterhaltsam? Ist es auch. Zumindest, wenn man das Boot erstmal im Griff hat. Aber keine Sorge, Brian zeigt uns, wie es geht. Und dann tuckern wir los: durch Seen, vorbei an verschlafenen Dörfern, zu Schokoladenmanufakturen, in gemütliche Pubs mit riesigen Portionen Fish & Chips. Eine Reise durch Irlands herzliche Mitte – ganz in Ruhe.
Eure Kirsten, Freundin von Welt
Inhaltsverzeichnis
- Tag 1: Hausboot-Einweisung mit Brian – und dann ablegen
- Tag 2: Der Lough Derg und das Hipster-Frühstück
- Tag 3: Farmers Market, Wellengang und eine Lektion in irischer Temperatur-Wahrnehmung
- Tag 4: Clonmacnoise, Schleusenwärter & eine wilde Busfahrt
- FAQ: Irland mit dem Hausboot – Tipps für ein entschleunigtes Abenteuer auf dem Shannon
- Mehr Wasser-Geschichten:
- Land
Tag 1: Hausboot-Einweisung mit Brian – und dann ablegen
Anreise nach Irland: Flug bis Dublin, dann zwei Stunden im Bus bis Portumna, zur Basis von Le Boat. Dort lernen wir Brian kennen – einen Mann, der schon viele Anfängergruppen erlebt habt.
Brian zeigt uns das Boot, die Horizon 4: schicker Salon im Heck, vier winzige, aber gut durchdachte Kabinen. Das andere Team hat die Vision – ein wenig vergilbt, aber mit größeren Fenstern. Okay, das sind nun beides keine Kreuzfahrtschiffe. Dafür bestimmen wir Route und Zeitplan. Beim An- und Ablegen haben wir Thruster, einen Seitenstrahlantrieb, den wir auch benutzen sollen.
Wichtig: die große, laminierte Karte immer am Steuerstand haben. Wenn das grüne Licht am Sicherungskasten blinkt, bedeutet das etwas – in Morsezeichen. Falls wir es nicht entschlüsseln können: einfach anrufen.
„Wenn ihr Downstream fahrt, müssen die roten Markierungen rechts von euch sein“, erklärt Brian. „Upstream ist es andersrum.“ Klingt kompliziert. Aber angeblich versteht man es, sobald man unterwegs ist. Brian sagt das. Aber er fährt ja nicht mit.
Bevor wir ablegen, zeigt er uns den richtigen Knoten. Meike, die das schonmal gemacht hat, legt lässig ab. Ich merke mir den Knoten – und springe bei Bedarf an Land. Brian ist begeistert. Er erzählt von Männergruppen, die nach vier Stunden noch nichts auf die Reihe bekommen haben.



Abendfahrt nach Portumna Castle – mit irischer Pünktlichkeit
Unsere erste Etappe: nur 20 Minuten Fahrt. Aber wir müssen durch eine Klappbrücke, die sich heute um 18:30 Uhr zum letzten Mal öffnet. „We are Irish, we put the -ish in time“, sagt Brian grinsend. Also warten wir geduldig.
Am Abend spazieren wir durch den Ort, vorbei am Portumna Castle. Im Restaurant „Modena“ wird für uns der Fernseher ausgeschaltet. Die indische Speisekarte klingt gut – und schmeckt noch besser. Fish Bhuna, frisches Naan, Reis mit Pilzen. Perfekt. Nur der Kellner scheint etwas verwirrt. Vielleicht liegt es an den Kopfhörer-Stöpseln in seinen Ohren.



Tag 2: Der Lough Derg und das Hipster-Frühstück
Am Morgen treffen wir uns alle auf der Horizon 4. Acht Leute passen locker an den Tisch. Meike hatte am Vortag eingekauft – der Supermarkt in Portumna liefert direkt ans Boot.
Nach dem Frühstück legt Meike ab. Die Enten im Hafen protestieren lautstark. Auf dem Lough Derg wird es windig und kalt. Noch eine Schicht anziehen, Mütze auf. Anfänger sollten den See eigentlich meiden – zu hohe Wellen sind problematisch. Aber so schlimm ist es heute nicht. „Wir fahren auf den Wellen, dann spüren wir sie weniger“, erklärt Meike.
Nach drei Stunden erreichen wir Mountshannon – laut einem Schild das sauberste Dorf von 1981. Im „Under the Oak“-Café gibt es Dukkah-Eggs, Avocado, Halloumi. Auch Turmeric-Latte mit Hafermilch. Die Besitzerin trägt Ohrhänger in Form von Teetassen. Hipster-Frühstück mit irischer Gemütlichkeit.
An den Hauswänden blühen Rosen, eine Dame im knallroten Badekleid grüßt freundlich.



Was ist der Unterschied zwischen Boot und Yacht?
Nach dem Essen: Leinen los. Die Sonne glitzert auf dem Wasser, wir blinzeln ins Licht.
„Fahren wir noch nach Tipperary?“, fragt Martin.
„It’s a long way to Tipperary“, singt Gracie.
Radio an – stattdessen läuft „I Wanna Be a Billionaire“. Diskussion: Was ist der Unterschied zwischen Boot und Yacht?
„Mit den richtigen Getränken“, einigen wir uns, „ist unser Hausboot eine Yacht.“
Scariff River, Schokolade und kuchelige Schals
Wir biegen in den schmalen Scariff River ein. Das Boot vor uns – das andere Team mit der Vision – fährt erstmal ins Schilf und manövriert sich rückwärts wieder raus. Nichts passiert, das Boot ist noch ganz.
Mit den Bordfahrrädern strampeln wir nach Tuamgraney. Dort wartet „Wilde’s Irish Chocolates“ auf uns. Chefin Patricia erzählt von den Anfängen: „Schokolade aus Irland?“, fragten die Händler damals ungläubig. Heute kann man hier seine eigene Tafel kreieren.
Ich mische kandierte Orangenschalen und Haselnüsse in flüssige Schokolade. Patricia rüttelt die Form auf einer Vibrationsplatte, damit alles einsinkt. Dann: ab in den Kühlschrank.
Webstühle rattern, in den Woolen Mills sieht es aus wie kurz nach der Industrialisierung. Aus bunten Wollfäden werden schöne Schals. Im Nachbarraum die Strickmaschinen, ein paar Technikstufen weiter. „Die geben uns noch viel mehr Design-Möglichkeiten“, sagt Anke McKernan. Sie ist Handweberin aus Wunstorf, mit ihrem irischen Mann Eugene tingelte sie einst über die Weihnachtsmärkte der norddeutschen Provinz. „Wir mussten mühsam selbst herausfinden, dass man mit handgewebten Geschirrtüchern kaum Geld verdient.“ Inzwischen machen sie Schals. Wunderschöne Schals. Sehr erfolgreich, sie kommen kaum hinterher. Ich suche mir einen roten Schal aus, wunderbar kuschelig.



Pub-Kultur: Gigantische Portionen & Hurling-Showeinlage
Abends im McNamara’s: ein Berg Fish & Chips türmt sich vor mir auf. Am Nebentisch: der Bürgermeister und seine Frau – auch sie kapitulieren vor den Mengen.
Guinness trinken ist eine Wissenschaft: Erst warten, bis es schwarz ist. Dann „Split the G“ – der erste Schluck muss bis zum „G“ im Guinness-Schriftzug reichen.
Wirt Evan ist einhändig, aber eine große Show. Irgendwann holt er seinen Hurling-Schläger. Hurling, der irische Nationalsport, ist eine rasante Angelegenheit, bei der ein kleiner Ball auf einer Art Holzpaddel balanciert, geschlagen und ins Tor bugsiert wird. Hurling gilt als Vorlage für Quidditch, den fiktiven Sport aus den Harry-Potter-Büchern. „It’s a very physical sport“, erklärt eine Meisterin, die zufällig da ist. Sie gibt mir den Lederball. Ich balanciere ihn vorsichtig auf dem Schläger. „Und jetzt stell dir das in schnell vor“, lacht sie. Hurling? Eine Mischung aus Hockey und Hardcore-Kartoffellauf.
Im Hinterzimmer wird Dart gespielt. Die Champions tragen sehr enge Jeans mit überfüllten Taschen. Zum Spaß werfen sie eine Runde auf Knien. Wir trinken Whiskey aus gestapelten Bechern.



Tag 3: Farmers Market, Wellengang und eine Lektion in irischer Temperatur-Wahrnehmung
Am Morgen in Killaloe schlendern wir über den Farmers Market. Ein paar Stände sind aufgebaut – ein Imker, ein paar Kürbisse, die Bäckerjungs von „Our Daily Bread“.
„Woher kommt ihr?“, fragen sie.
„Köln“, sagt Maria.
„Ich hab meinen Zahn in Köln verloren!“, grinst einer von ihnen und zeigt eine schiefe Zahnlücke.
Ihr Sauerteigbrot ist außen herrlich knusprig, innen fluffig. Perfekt für ein Picknick an Bord. Wir decken uns mit Käse und Brot ein, dann geht es zurück aufs Boot.



Die Deutschen und ihre Kleidung
Es ist windig, es regnet, es ist kalt. Ich setze mich zum ersten Mal ans Steuer.
In Irland wundert man sich, dass die Deutschen immer so viele Klamotten anhaben. „Habt ihr so viel Kleidung? Muss die ausgeführt werden?“, fragt Gracie. Sie selbst trägt – wie viele Iren – noch bis in den Herbst Shorts.
Zwei Männer am Ufer zeigen auf uns. „Guckt mal, die haben lange Hosen an!“
Wenn die wüssten, dass ich darunter noch eine lange Unterhose trage…

Steuerfrau auf Zickzack-Kurs
Ich halte das Steuerrad fest. Jede Bewegung reagiert das Boot mit Verzögerung – also drehe ich stärker. Falsch. Jetzt zieht es viel zu weit nach links. Also gegensteuern. Wieder zu viel. Mein Kurs? Zickzack.
Dann die Bojen. „Siehst du die rote Boje da vorne?“, fragt Meike.
„Nein.“
„Da, wo das Ufer so rausgeht.“
„Immer noch nicht.“
„Dieser winzige Punkt.“
„Ach DAS soll die Boje sein?“
Kein Wunder, dass ein Fernglas empfohlen wird.
Meike übergibt mir das Ruder und verschwindet unter Deck, um Tee zu kochen. Zum Glück kommt sie rechtzeitig zurück, übernimmt zur Hafeneinfahrt von Terryglass – die ich sonst übersehen hätte, weil ich nicht gleichzeitig auf die Karte gucken und das Boot steuern kann.



Tag 4: Clonmacnoise, Schleusenwärter & eine wilde Busfahrt
Terryglass ist nicht reich an Sehenswürdigkeiten, aber es hat Feen. An den Bäumen leuchten bunte Miniatur-Türen – Eingänge für Feen, die dort wohnen.
Außerdem gibt es heilende Quellen. Ich betupfe mir Augen und Schläfen mit dem Wasser von Saint Columba’s Headache Well. Angeblich hilft es gegen Migräne, aber nicht gegen Hangover
Im „Derg Inn“ studieren wir die Karte. „A Glass Full of Craic“ – was das wohl für ein Getränk ist?
„Craic ist Spaß!“, erklärt Gracie lachend. Das ergibt Sinn. Irische Gastfreundschaft zum Mitnehmen.



Zurück auf dem Wasser: Die Schleuse & attraktive Helfer
Wir fahren in eine Schleuse. Konzentriert halte ich die Stange mit dem Haken bereit. Wir müssen unsere Leinen an den Pollern befestigen – oder besser gesagt, wir würden es tun, wenn nicht zwei äußerst attraktive Schleusenwärter zur Stelle wären. Wir werfen ihnen die Seile zu, sie befestigen alles für uns. Perfekter Service.
Langsam hebt sich das Wasser. Ich spanne die Leine nach. Eigentlich ganz einfach. Und doch aufregend.



Banagher: Ein friedlicher Ort ohne verborgene Schätze
Nächster Stopp: Banagher, dort legen wir an. Laut Reiseführer eine „ruhige, friedliche Stadt“ – das ist sie definitiv. Die verborgenen Schätze, die der Guide verspricht, finden wir allerdings nicht. Dafür einen Supermarkt.
Herausforderung: Mittagessen kochen – während der Fahrt. Salat, Pasta – kein Problem. Der Gasherd funktioniert, das Boot schaukelt nicht zu sehr.



Clonmacnoise: Klosterruinen & das Ende der Welt
Am Nachmittag erreichen wir Clonmacnoise, eine der bekanntesten Klosteranlagen Irlands. Wir legen direkt in der Nähe an – Irland mit dem Hausboot ist einfach praktisch.
Wir stapfen über eine Kuhwiese zum Besucherzentrum, sehen uns einen Film über die Geschichte an und laufen dann durch die Ruinen. Die grauen Steine stehen malerisch in der Landschaft, Kreuze und alte Grabplatten sind über das Gelände verteilt.
Clonmacnoise liegt an der Kreuzung zweier wichtiger historischer Handelsrouten: dem Shannon von Nord nach Süd und einem alten Hügelzug von Ost nach West. Es fühlt sich ein bisschen an wie das Ende der Welt.






Athlone: Irlands ältester Pub
Dann der Bus nach Athlone. Die Bootsfahrt hätte uns eineinhalb Stunden gekostet, der Bus braucht nur 17 Minuten. Allerdings sind diese 17 Minuten eine wilde Achterbahnfahrt über erstaunlich schmale, erstaunlich buckelige Straßen. Die Motion Sickness gibt es gratis dazu. Dort besuchen wir – was wohl? – Irlands ältesten Pub.



Irland mit dem Hausboot: Ein Traum von einer anderen Welt
Bea erzählt, dass sie letzte Nacht geträumt hat, sie müsse durch einen Backofen kriechen, um in eine andere Welt zu gelangen. Keiner findet das ungewöhnlich.
Die Fahrt geht weiter. Am Ufer des Flusses und von ankernden Booten grüßen Angler, der Shannon ist ein beliebtes Revier.
Die empfohlene Reisegeschwindigkeit liegt bei 8-10 km/h. Die Motoren sind gedrosselt, fahren maximal 12 km/h. Eine Hausbootour auf dem Shannon ist ein sehr langsames Abenteuer. Ab durch die herzliche Mitte Irlands – aber immer mit der Ruhe.



FAQ: Irland mit dem Hausboot – Tipps für ein entschleunigtes Abenteuer auf dem Shannon
Nach Dublin mit Aer Lingus oder Lufthansa. Alternativ mit der Fähre von Cherbourg (Frankreich) nach Dublin mit Irish Ferries. Vom Flughafen Dublin gibt es einen Transfer von Le Boat nach Portumna.
Nein, ein Bootsführerschein ist nicht erforderlich. Nach einer kurzen Einweisung kann es losgehen.
Übernachtet wird auf dem Hausboot. Die „Horizon 4“ hat vier Kabinen, einen großen Salon, ein Sonnendeck und zwei Steuerstände. Mehr Informationen auf leboat.com
Die Hausboot-Saison auf dem Shannon in Irlands „herzlicher Mitte“ geht von Mitte März bis Mitte Oktober.
• Ab Portumna Richtung Norden über den Lough Derg – aber nur bei gutem Wetter.
• One-Way-Fahrt nach Süden bis Carrick-on-Shannon, wo das Boot wieder abgegeben werden kann.
Schokolade selber machen: Wilde’s Irish Chocolates, Tuamgraney, wildesirishchocolates.com
Kuschelige Schals kaufen: McKernan Woollen Mills, Tuamgraney, www.scarves.ie
Klosterruinen besichtigen: Clonmacnoise heritageireland.ie
Frische Produkte shoppen: Farmers Market in Killaloe (sonntags 11-15 Uhr, discoverloughderg.ie
McNamara’s Pub (Scarriff): Guinness, Riesenportionen & Hurling-Talk (Main Street, Scarriff)
Modena (Portumna): Leckeres indisches Essen, themodena.com
The Derg Inn (Terryglass): Bodenständige irische Küche
Über Irland bei Tourism Ireland: ireland.com
Über Hausboote bei Le Boat, leboat.com/de

Offenlegung: Tourism Ireland und Le Boat haben mich zu dieser Hausboot-Pressereise auf dem Shannon in Irelands Hidden Heartland eingeladen. Ein herzliches Dankeschön für die wunderbar organisierte Reise! Das war schon ein Wagnis: Eine handvoll Reisejournalist:innen, die sich gar nicht kennen, einfach auf zwei kleine Boote zu stecken. Allerdings gut betreut. Ist ja gut gegangen, wir haben uns prima verstanden. Für die Stuttgarter Nachrichten / Stuttgarter Zeitung habe ich 2023 darüber geschrieben.
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