Auf Fontanes Spuren im Havelland – mit dem Rad

Fontane-Statue, betrachtet durch Fahrradspeichen

Liebe Freundinnen von Welt,

Ihr kennt doch sicher „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“? Das berühmte Gedicht von Theodor Fontane über den birnenverschenkenden Gutsherrn? Mein Reisebegleiter M. kannte es nicht, das musste ich während unserer Radtour auf Fontanes Spuren entlang der Havel feststellen. Ein vielschichtiger Ausflug durch malerische Natur und beeindruckende Städte, stets begleitet von Literatur und Geschichte. Am Wegesrand: zahlreiche schöne Badeplätze! Und so wurde M. im Havelland auch noch Fontane-Fan.

Eure Kirsten, Freundin von Welt

„Courage ist gut, aber Ausdauer ist besser.“

Theodor Fontane
Kirsten Rick auf dem Fahrrad
Courage ja, Ausdauer geht so

Inhaltsverzeichnis

Fahrrad zwischen Bäumen spiegelt sich in einer Pfütze
Nach dem Regen bleiben schöne Pfützen

FONTANE.RAD

2019 feierte Brandenburg den 200. Geburtstag des Autors – und schuf die Route FONTANE.RAD. Die Strecke führt durch das Havelland und das Ruppiner Seenland an die Orte, die Theodor Fontane als Vorlage für seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ und andere Werke dienten, aber auch zu Stationen seiner Lebensgeschichte.
Etwa 300 Kilometer ist die Strecke lang, Informationstafeln an rund 60 Fontane-Orten geben Auskunft über Geschichte und Geschichten. Bezaubernd sind die kommentierenden Zitate von Emilie Fontane, seiner Ehefrau, auf den Tafeln.
Es gibt acht Etappen, sieben Tagestouren und zwei Variante. Ich brauchte ein bisschen, um das Prinzip zu verstehen (ein intensiver Blick auf die Karte hilft da ungemein), aber dadurch lässt sich die Route abwechslungsreich und individuell zusammenstellen.

Informationen zur Route auf fontanerad.de

Havelradweg

Wir haben, aus dem Wendland kommend, den Fontaneradweg mit dem Havelradweg kombiniert. Das hat gut funktioniert. In diesem Teil der Geschichte sind wir zunächst auf dem Havelradweg unterwegs.

Informationen zur Route auf havelradweg.de

Hausboot auf der Havel
An der Havel ist es schön – ob mit oder ohne Hausboot

Fontane & ich

Die Geschichte der Zuneigung ist lang: In der Schulzeit, also vor über 30 Jahren, las ich „Effi Briest“. Und war von Anfang an fasziniert von den subtilen Andeutungen, von Fontanes Kunst der Dialoge und seiner Fähigkeit, Dinge zwischen den Zeilen auszudrücken. Ich erinnere mich, dass ich mehrfach zurückblättern musste: Hatte Effi wirklich eine Affäre mit Major Crampas? Hatte ich da was überlesen? Und dann diese Spannung zwischen gesellschaftlichen Konventionen und der freiheitsliebenden Effi! Diese überbordende Symbolik! Der Roman machte mir schlechte Laune – aber er gefiel mir sehr. Ich wurde zum Fontane-Fan.
Effi Briest las ich immer wieder (trotz wiederkehrender schlechter Laune), das Gedicht „John Maynard“, inspiriert von einer Zeitungsnachricht, lernte ich auswendig. Und bei jeder Birne, in die ich biss, dachte ich an „Herrn von Ribbeck“.

Frau mit Helm grüßt Fontane-Denkmal
Hallo Herr Fontane, endlich treffen wir uns mal!

„Überhaupt alles sehr schön, aber anstrengend.“

Effi Briest in einem Brief von ihrer Hochzeitsreise

Radreise-Tagebuch: Entlang der Havel und bis nach Ribbeck

Tag 1: Von Wustrow über Wittenberge nach Havelberg

Info: 108 km

Im Wendland starten wir, dort ist Fontane noch fern. Vorbei an vielen gelben Holzkreuzen (Solidarität mit Gorleben, das nun zum Glück nicht zum Atommüll-Endlager werden soll) und durch die Neemitzer Heide, die jetzt im Juli noch nicht blüht.
Der Elberadweg führt uns entlang des breiten Stromes und durch weite Wiesen Richtung Havelmündung – und dort auf den Havelradweg. In Wittenberge machen wir ein Picknick.

Feld mit Heuballen und dramatischem Wolkenhimmel
Das ist mal ein weites Feld!

Wir fahren viel auf dem Elbdeich entlang, was nicht heißt, dass wir immer die Elbe sehen. Die grüngrasige Auenlandschaft ist so groß, so weitläufig, dass der Blick weit über die Landschaft schweifen kann. Der Weg führt mitten zwischen Elbe und Havel entlang, über uns kreisen und stehen immer wieder Greifvögel. Ein besonders großer Vogel fliegt auf, als wir uns ihm nähern. Am Rande des Radweges lässt er seine Beute zurück – ich meine, den Lauf eines erlegten Lammes zu erkennen. Der Rest ist Gemetzel. Was war das für ein riesenhafter Vogel?

Die Havel, von der Quelle bis zur Mündung – so wird der Havelradweg beworben. Wir beginnen einfach bei der Mündung, fahren in die andere Richtung. Kein Problem, schlimme Steigungen sind nicht zu erwarten. Wir erreichen Havelberg, eine historische Stadt, die Altstadt auf einer Havelinsel, der Campingplatz auf einer anderen, durch Brücken verbunden.

Havelberg Panorama mit Blick auf die Havel
Havelberg

Es ist 21.30 Uhr, die Restaurants winken ab. Akropolis: schon geschlossen. Viet-Thai: nur to go, nur noch Bratnudeln. Dann also so. Eine Portion Bratnudeln am Hafen, danach noch eine Pizza vom Pizza-Döner. Nach 108 Kilometern haben wir einfach Hunger. Obwohl M. vorhin noch meinte, ein paar Nüsschen würden ihm auch reichen.
Auf dem Campingplatz treffen wir ein Paar, uns ähnlich, mit Rädern und Zelt unterwegs, aber sie kommen aus der entgegengesetzten Richtung. Der Mann ist Fontane-Fan, wir schwärmen gemeinsam etwas von der Detailverliebheit der Romane.

Tag 2: Von Havelberg über Garz und Rathenow bis Möglin

Havelberg angucken. Der Dom ist wirklich imposant, der Klostergarten ganz entzückend. (Er wurde im Rahmen der Buga 2015 schick gemacht). Vor dem Dom stehen in Bronze der preußische „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. und Zar Peter der Große. Der Soldatenkönig hat dem Zaren in Havelberg das Bernsteinzimmer geschenkt, der Zar dem Preußen dafür 55 Grenadiere, die „langen Kerls“ (mindestens 1,88 m groß). Menschenhandel?
Witzig: Zar und Kaiser sind gleichzeitig Postkartenautomaten. 2 Euro in den Orden an der Brust einwerfen, an der Jackentasche ziehen, Postkarte entnehmen.

Denkmal und Postkartenautomat zugleich
Dieses Denkmal ist ein Postkartenautomat, der Geldschlitz ist im Orden

Im Haus der Flüsse, einem sehr gelungenen Holzbau, erfahren wir mehr über die Renaturierung und den Lebensraum der unteren Havelniederung. Und auch, was für einen Vogel wir vermutlich gesehen haben: einen Seeadler!

Haus der Fluesse in Havelberg
Holzbau am Wasser: Das Haus der Flüsse in Havelberg

Tipp: Haus der Flüsse in Havelberg, haus-der-fluesse.de

Bei einem Regenstopp unter dem Dach eines Picknickplatzes lese ich etwas über Fontane: Er hat ca. 11000 Briefe geschrieben. Nicht alle sind erhalten, aber sehr, sehr viele. An seine Frau, seine Freunde. Fontane gilt als der bedeutendste deutsche Briefschreiber der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch seine Briefe und Tagebücher wissen wir über Fontane mehr als über nahezu alle anderen Autoren des 19. Jahrhunderts.

“Ich bereise jetzt unsere märkisch-brandenburgische Heimat und durchstöbre (…) die alten Schlösser (…), dazu die kleinen märkischen Städte mit ihren Männern und ihren Erinnerungen.“

Theodor Fontane

Erinnerungen.“ Fontane hoffte, so die märkische „Lokalität“, deren Reize weitgehend unentdeckt waren, „wie die Prinzessin im Märchen zu erlösen“.

Die Route des Havelradwegs führt zunächst entlang der Landstraße durch merkwürdig anmutende Orte. Es sieht nach vergessenem Osten aus, dieser besondere, grobe grau Putz, der abbröckelt. Männer, sich noch nicht mal mehr ein Hemd oder T-Shirt leisten können und barbäuchig in der Sonne brutzeln, gerne mal ein Bier in der Hand. Sind das die märkischen Männer, die Fontane meinte? Hängen sie ihren Erinnerungen nach? Allein Garz ist sehr schön, auch wegen der Havelhöfe.

Havelhoefe
Radlerpension Havelhöfe

Tipp: Havelhöfe
Charmante und sehr günstige Radlerpension (ab 25 Euro p.P/Nacht). havelhoefe.de

Dann werden die Radwege super. Es gibt Fahrradstraßen, echte Fahrradstraßen!!! mitten durch den Wald. Und drei Wegweiser mit dem Hinweis „Ein weites Feld“, ein Fontane-Zitat aus Effi Briest. Die führen mal in die eine, mal in die andere Richtung.

Radfahrerin fährt an einem Wegweiser vorbei
Zum weiten Feld dort entlang

Rathenow empfängt uns mit einer sehr langen Ausfallstraße, an der reichlich Autos verkauft werden und die quasi nahtlos durchs Stadtzentrum führt. Der „Optikpark“ hat leider schon geschlossen. Ansonsten gibt sich die „Stadt der Optik“ (Beiname auf dem Ortsschild) eher funktional.
In der Pizzeria „Due Frateli“ bekommen wir einen Tisch für 30 Minuten – danach ist der reserviert.
Rathenow lassen wir hinter uns und steuern einen Biwakplatz in Mögelin an. Der ist ganz zauberhaft! M., der partout kein Wasser beim Discounter kaufen wollte („kein Plastikflaschenwasser!“), sieht jetzt zu, wo er noch welches bekommt. Und ich sitze hier an der Havel im frischer werdenden Wind, während der Himmel sich zuzieht. Die anderen Camper (drei Zelte stehen außer unserem auf dem Platz) sind alle mit Kanus unterwegs.

Zeltidylle an der Havel
Zeltidylle an der Havel

Tag 3: Mögelin bis Brandenburg an der Havel

Info: 57,8 Kilometer, 12,7 km/h, 4:32 h

Bei Regen sind wir erst mal im Zelt geblieben. Das ging ganz wunderbar auf dem idyllischen Biwakplatz mit Havelblick. M. hat gestern noch ein kurzes Bad im Fluss genommen. Nur nachts waren die Frösche sehr laut. Ein gigantisches Froschkonzert! Wahrscheinlich durften auch sie während des Corona-Lockdowns nicht auftreten und haben jetzt Nachholbedarf.

Von Mögelin radeln wir überwiegend über Fahrradstraßen im Wald nach Premnitz. Dort mit der Fähre über die Havel (90 Cent pro Person mit Fahrrad). Die einzige Rohrweberei in Deutschland hat leider aus unbekanntem Grund geschlossen. Schade, die hätte ich mir gerne angesehen. M. bemerkt bei der Gelegenheit, dass er den Kameradeckel verloren hat.
Weiter nach Briest. Hat der Ortsname mit „Effi Briest“ zu tun? Ich weiß es nicht, finde auch keinen Hinweis. Das Ortsschild liegt, umgeworfen oder umgefallen, im hüfthohen Unkraut am Straßenrand. Ach, Effi!

Ortsschild von Briest liegt im Gras
Ach, Effi! Das Ortsschild von Briest ist nicht standhaft

Auf straßenbegleitenden Radwegen (finanziert mit EU-Fördergeldern, wie zahlreiche Schilder belegen) und Baustellen, immer an oder auf der Landstraße entlang. Dann: Vollsperrung. Kein Durchkommen. Bagger haben tiefe Gräben ausgehoben, daneben ist dichter Wald. Zu uns stößt ein älterer Herr in greller Jacke, an seinem E-Bike-Lenker ein Smartphone, aus dem Gerät dröhnt laute Musik. Schlager. Er wechselt ein paar Worte mit mir, stellt dann sein Rad ab und geht sich umsehen. M. checkt gerade die Baustelle. Ich stehe alleine mit dem Disco-Schlager-Rad da, eingehüllt in eine mächtige Schallwolke. Atemlos. „Dann tu‘s doch, wenn Du so stark bist, versuch‘s doch“ – so oder ähnlich der Liedtext, der uns begleitet, als wir nach einer Umleitung suchen. Eine weitere Radlerin schließt sich uns an, eine Dame, die die Tour Brandenburg (1100 km) fährt. M. routet die gesamte Gesellschaft geschickt um und führt uns wieder auf den richtigen Weg.

Wir machen unterwegs an einem weiteren Biwakplatz halt – hinter einer Straußenfarm. Leider ist kein Eierverkauf in Sicht (hat Straußen-Schulze zu?). Die Biester sehen echt schräg aus, sind aber sehr schwer zu fotografieren. Wir picknicken, was wir mitgebracht / im Supermarkt erbeutet haben. Auf der Havel tuckern Hausboote vorbei, ab und an auch mal eine Motoryacht, ein Ruderboot, ein paar Kanus.

Hausboot auf der Havel, vorne Sandstrand
Am Havelstrand, ab und zu kommt ein Hausboot vorbei

Begegnungen mit Fontane in Plauen

Plauen ist der erste richtige „Fontaneort“ auf unserer Route. Hier hat Fontane oft seinen Freund Wiesike besucht. Es gibt sogar einen Fontane-Wanderweg, Die alte Brücke ist gesperrt, deshalb sehen wir nicht Wiesikes Grab und seine Villa auf der anderen Havelseite. Aber das Schloss, das einst „prächtige, einzig wahre Schloss“, von dem Fontane begeistert war. Die alte Pracht hält sich nur mühsam, der Putz bröckelt und aus dem Dach wächst seitlich gar eine Birke. Aber im Erdgeschoß werden in Sälen noch Feste gefeiert, dort ist eine Küche, und im Innenhof, so erzählt uns eine sehr freundliche, stark berlinernde Frau mit Weste und Tattoo, soll heute noch ein großer Grillabend stattfinden. Außerplanmäßig. Und die Nebengebäude, die sind schon schick saniert.

Schloss Plauen, gesehen durch einen Eisenzaun
Schloss Plauen, so halb saniert

Im 19 Hektar großen Landschaftspark treffen wir Fontane. Er ist recht klein, steht aber auf einem Sockel, die Hand zum Gruß am Hut, einen Fuß vor den anderen gesetzt, quasi im Vorbeigehen. Eine Hommage an den „Wanderer“ Fontane. Etwas weiter, viel größer, eine Art Galerie, eine weiße Abschussrampe zum Tontaubenschießen. Flankiert von Bär und Markhor (einer Schraubenziege, wie M. sofort googelt), ebenfalls riesenhaft, die der Graf Königsmarck im Himalaya schoss. Die echten natürlich, die hier sind aus Stein.

Landschaftspark Plauen mit großem Markhor-Denkmal
Das ist ein Markhor, eine Schraubenziege, im Landschaftspark des Plauener Schlosses

Wir umrunden den Plauer See, der an der Ostseite anders heißt, Breitlingsee nämlich, und M. geht baden. Das Wasser ist ihm viel zu flach und zu warm, sagt er, aber bei der Gelegenheit findet er den Kameradeckel wieder – in seiner Fahrradhose. Warum er das beim Fahren nicht gemerkt hat? Bedenklich!

Vorher passieren wir noch einen Ort, der anscheinend mit einer Pulverfabrik reich geworden ist: Kirchmöser. Die historischen Fabrikgebäude sind erhalten, die Wohnsiedlungen auch.

Hinein nach Brandenburg an der Havel. Sehr breite Straßen, Straßenbahnen (Achtung bei den Schienen!) und eine historische Altstadt. Es sieht alles ein bisschen aus wie Berlin, nur viel kleiner. Mitten in der Stadt gibt es einen Campingplatz, die „Stadtmarina Brandenburg„. (Laut Webseite nur noch für Wohnmobile.) Sieht aus wie ein altes Fabrikgelände, liegt direkt am Wasser (nicht die Havel, vermutlich ein Havelkanal). Der gelbe, schwimmende Kiosk hat leider schon geschlossen.

Kanu auf der Havel in Brandenburg an der Havel
Brandenburg an der Havel, auch gut mit dem Kanu zu erreichen

Tipp: Spaziergang durch Brandenburg an der Havel: 5 Kilometer, 1:07 h.

Dabei stoßen wir auf eine Gedenkstätte, „Euthanasie“, mit dem Grundriss einer Gaskammer, die mitten in der Stadt stand. Etwa 9000 Menschen wurden hier umgebracht.

Tag 4: Von Brandenburg an der Havel über Kloster Lehnin bis Werder an der Havel

Info: 78 Kilometer, 6:23 h, 12,8 km/h

Beim Nicht-Frühstück (also: nur Tee und Kaffee) entscheiden wir: Ja, wir fahren die Variante 2 des Fontane-Radweges über Kloster Lehnin (bei Regen). Fontane war beeindruckt, obwohl das Kloster schon zerstört war. Die romantische Verklärung des Mittelalters. Schön: Das UferCafé im Skulpturengarten am Klostersee. Mit Badestelle, die M. aber nicht nutzt. Linsentopf „India“ und Käsekuchen schmecken sehr gut.

Wandschrift WEG SEE
Weg? See? Wegsehen? Nein, das ist die Wand vom UferCafé

Tipp: UferCafé im Skulpturengarten am Klostersee

Kontemplative Regenfahrt durch den Wald. Leider auf Sandwegen. Das Routing ist nicht eindeutig.
Kurz vor Werder stoßen wir auf „Die ganze Welt des Sanddorns“: Ein Erlebnis-Zentrum rund um die „Zitrone des Nordens“ (weil Sanddorn so viel Vitamin C enthält). Wir erfahren von der Frau an der Kasse, dass der Sanddorn eine Pfahlwurzel hat, die tief in den Boden reicht, man muss ihn nicht gießen. Die Ernte geht so: Zweige abschneiden, schockfrosten. Dann lassen sich die Früchte von den dornigen Zweigen abziehen.

Sanddornzweige Detail
Sanddorn, die Zitrone des Nordens, hat fiese Dornen

Tipp: Sanddorn-Garten Petzow

Werder an der Havel – die „Blütenstadt“ – ist auch ohne die Obstblüte ein Schmuckkästchen, fein herausgeputzt zeigt sich die Altstadt auf der Insel. Wir gehen den „Inselrundweg“, durch Kopfsteinpflastergassen, vorbei an geduckten, hübschen Häusern, über den Marktplatz und fühlen uns dabei fast wie in Aeroskobing auf Aerö.

Beim Inder „Sagan“ bemerken wir, wie spät es schon ist – 19.30 Uhr. Die Fähre in Ketzin ist nur bis 20 Uhr in Betrieb, das schaffen wir nicht mehr. Auf den Weg machen wir uns trotzdem. Aber wo übernachten?Die Strecke ist schön, ein toller, neuer Fahrradweg führt an der Havel entlang (auf dem Deich?) über weite Felder. Das, Fontane, ist mal ein weites Feld! Auf der Havel ankern Hausboote. Die Uferstelle, die für unser Zelt passend wäre, ist leider schon vom Auto eines Nachtanglers belegt. Wir stellen unser Zelt neben einen Rastplatz, Bänke und Tisch direkt am Weg. Vorteil: Weniger Mücken und die Gelegenheit, den Sanddorn-Wein unterm Sternenhimmel zu trinken. 12%, der knallt.

Tag 5: Von Ketzin bis Ribbeck

Es regnet. Es soll auch nicht wieder aufhören, sagt M.s Regenradar. Später soll es doch wieder aufhören. Und dann wieder nicht. Die Fähre nach Ketzin kostet für Rad plus Mensch 1,50 Euro, für Pferd und Reiter 2 Euro.

Nach Ketzin kommt Paretz. Hier wanderte Fontane. Um das Schloss herum liegen Musterbauernhöfe nach englischem Vorbild. Alles wunderhübsch angelegt. Fontane kam in ein Gewitter und hatte Glück – er fand Schutz und Herberge bei dem Schlossgärtner Wilken. Mit ihm hatte er sich viel zu erzählen, denn beider Männer Großväter arbeiteten für das Königspaar (Königin Luise, nach ihr ist auch der ansässige Reitstall benannt). Das war 1869, hundert Jahre vor meiner Geburt. Also: Fontanes Wanderung, nicht Königin Luise, die war noch früher. Wir haben nicht so viel Glück wie Fontane, finden keinen Unterschlupf und radeln im Regen weiter.

Schloss Paretz, Gärtnerhaus
Im Gärtnerhaus in Paretz fand Fontane bei schlechtem Wetter Zuflucht

Wir folgen dem Fontaneradweg nach Brieselang. Keine so gute Idee, was es dort zu sehen gibt, erschließt sich uns nicht. Außerdem ist das Routing nicht gerade bestechend – die Strecke führt uns teilweise auf große Straßen ohne Radweg, teilweise durch Neubaugebiete. So sind wir wenigstens gut informiert über die aktuellen Zaun- und Vorgartengestaltungstrends, Doppelstabmatten mit eingearbeitetem Plastik-Sichtschutz sind ganz weit vorn. Schottergärten sind noch sehr gefragt. Der Knüller: Gabionen-Pfosten (Gabionen sind Steine hinter Gittern, in Käfigen), dazwischen Doppelstabmatten mit Sichtschutz (Steinmotiv), dazu ein Schottergarten mit Schotterbergen, die von Mini-Gabionen gekrönt werden.

Nauen ist eine Ackerbürgerstadt, die Fachwerkhäuser der Altstadt haben breite Tore, hinter denen sich reizvolle Innenhöfe verbergen sollen. Doch leider sind die Tore alle geschlossen.

Die Spur der Birnen: Mit dem Fontane-Ignoranten nach Ribbeck

Beim Picknick mittags unter Dach bei einer „Fahrradtankstelle“ mit Kapelle (was Kirchliches wohl) mit Mohnkuchen von Bäcker Thonke (hervorragend!) outet M. sich als Fontane-Ignorant. Er hat nie etwas von Fontane gelesen (und hat es auch nicht vor), noch nicht mal in der Schule kam „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ vor. Nichts. Null. Und es ist sehr schwierig, ihn dafür zu interessieren. Er möchte lieber Badestellen. Aber nur abends, mit Sonne, ohne Mücken, nicht zu flach. Sonst noch was?

Badesee im Havelland
So sehen die von M. gewünschten Badestellen aus

Als wir Ribbeck – DAS Ribbeck aus dem wohlberühmten Gedicht – erreichen, erreicht auch der Regen seinen Höhepunkt. Auf einer Weide flieht eine Gruppe Pferde vor zwei Männern. „Wir wollen denen nüscht Böses, die sollen nur zum Hufschmied“, versichert mir der eine.Daneben steht eine Gruppe schmutziger Kühe auf einem Schlammpaddock um eine sehr große Pfütze herum. Info-Säulen halten uns auf. Ribbecks Frühgeschichte. Mir ist kalt, wir fahren etwas herum. Die Kirche, das Schloss, die Brennerei, das alte Waschhaus, die alte Schule (in beiden letzteren Gastronomie). Alles sehr nett anzusehen. Im Schlosspark eine Birnbaumreihe, aus jedem Bundesland ein Baum. Hamburg hat die „Conference“ beigesteuert.

Birne mit Regentropfen
In Ribbeck steht eine Birnbaumreihe – aus jedem Bundesland ein Baum

Birnenprodukte werden, wie zu erwarten, nahezu überall verkauft. Bei gutem Wetter muss Ribbeck eine touristische Goldgrube sein.

Auf dem Kirchplatz eine goldene Birne auf einem silbernen Sockel, das passt farblich nicht so gut. Wo ist der Birnbaum? Da drüben steht ein kleines Bäumchen, davor ein Schild. Es ist ein Apfelbaum. Huch!

Goldene Birne auf einem Sockel vor der Kirche in Ribbeck
Auf einem Sockel vor der Kirche thront eine goldene Birne

Tipp: Schloss Ribbeck, schlossribbeck.de

Tag 6: Von Ribbeck in die Fontanestadt Neuruppin

Wir radeln Richtung Paulinenaue – ein Querstich, abwegig von der normalen Fontane-Radroute. Auf dem Weg liegt der Kinderbauernhof Marienhof. Ein paar Ponys, Ziegen, Kaninchen, Esel. Und Schweine, die sind beim Regen aber drinnen. Und Schäferwagen. Wir dürfen unser Zelt auf der Wiese aufstellen. Das Abendessen ist eher nichts für Vegetarier, immerhin, es gibt verkochte Kartoffeln mit Paprika in fragwürdiger Sauce und Salat mit sonderbarem Senfdressing. Aber es wärmt.
Es hört auf zu regnen, schon sieht alles besser aus. Auf dem Kinderbauernhof ist Tierfütterung, die Schweine sind schon ganz aufgeregt. Sandige Steckdosennasen recken sich mir neugierig entgegen. Stolz trägt ein ausgewähltes Kind den Futtereimer. Ein kleines Paradies.

Ein Schwein reckt seine Nase hoch zur Kamera
Hallo Steckdosennase!

Über die „Stille Pauline“, einen ausgebauten Bahntrassenradweg, geht es von Paulinenaue nach Fehrbellin.Da bleiben wir nicht lange, denn es wartet Neuruppin auf uns, die „Fontanestadt“. Diesen Titel trägt Neuruppin seit dem 100. Geburtstag des Dichters.

Buchtipp: Irrungen, Wirrungen

Auf unserer Reise begleitete uns Fontane mit dem passenden Titel „Irrungen, Wirrungen„. Haben wir nicht gelesen, sondern abends im Zelt als Hörbuch gehört.

Wie es weiter geht, lesen Sie (demnächst) hier:
Mit dem Rad auf Fontanes Spuren im Ruppiner Seenland

Info Havelland:
havelland-tourismus.de


 

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2 Antworten zu „Auf Fontanes Spuren im Havelland – mit dem Rad“

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